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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 147
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0147
Die zumeist hitzigen Debatten der Nationalversammlung in Frankfurt über die Form des
künftigen Deutschlands spiegeln sich auch in den Flugschriften jener Zeit wider, wenngleich
mit unterschiedlicher Intensität. Die Flugschriften nahmen dabei die Funktion einer außerparlamentarischen
Öffentlichkeit ein, indem sie die Debatten der Nationalversammlung nach
außen trugen.

4.3.1. Groß- oder kleindeutsche Lösung

Zwischen den Anhängern der großdeutschen und denen der kleindeutschen Lösung entbrannte
in den Herbst- und Wintermonaten eine kontroverse Diskussion, die auch außerhalb der Nationalversammlung
Widerhall fand. Dabei ging es um die Frage, ob die Habsburger Monarchie
zum zukünftigen Deutschen Reich gehören sollte oder nicht, und welchen Einfluss diese Zugehörigkeit
auf die staatliche Existenz und Gestalt des deutschen Reichs haben sollte.

In einer Extrabeilage der „Mannheimer Zeitung'' wurde eine von Friedrich Bassermann am
16. Januar 1849 vor der Nationalversammlung gehaltene Rede abgedruckt.54 In ihr verteidigte
er vehement den Kompromiss des Doppelbundes und widersprach den Befürchtungen, dass
Österreich ein preußisches Erbkaisertum nicht dulden werde:

Weil nun immer wieder gesprochen wird von dem Hinauswerfen Österreichs, so erlaube man mir in Bezug
darauf einige Worte. Solches Gerede klingt mir wie Wahnsinn; denn wenn eine Gesellschaft sich in
einem Gebäude versammelt, um sich zu einem Verein zu konstituieren, und es fehlt noch ein Mitglied,
und man schickt lange Zeit hinüber zu ihm, und wartet lange und ladet es ein, es möge eintreten, die
Thüre sei weit offen; und wenn der Vermisste erklärt: macht ihr nur euren Verein fertig, ich will indes
meine Geschäfte beendigen, und wenn wir Beide unsere Angelegenheiten geordnet haben, will ich kommen
und sehen, wie wir uns miteinander vertragen. Ist das hinausgeworfen ?

Wenn dann in der Gesellschaft, von der ich gesprochen. Jemand sagt: wir können nicht länger warten
, es dauert zu lange, wir müssen uns endlich konstituieren, auch wenn der Nichterschienene, was uns
leid thäte, nicht kommen mag; und wenn der Andere diese Sprache erfährt und nun seinerseits sagt: Jetzt,
da ich merkte, daß ihr ohne mich euch als Verein zu constituieren gedenkt, gebe ich euch eine andere
Erklärung; aber wie lautet sie? Lautet sie jetzt zustimmend? Wird der Geladene nun kommen? Nein, sie
lautet: Jetzt erkläre ich, daß ich mich besinnen werde, ob ich komme (Heiterkeit), und nun sprechen Sie
davon, man werfe einen Solchen, welche man lange vergebens erwartet hat, man werfe ihn hinaus! ...
Wenn wir aber den Verein fertig machen, ohne daß wir wissen ob der andere kommt, bleibt ihm dann
die Thüre verschlossen? Welcher Staat hat sich je geweigert, einen Zuwachs anzunehmen, wenn er ihm
geboten worden? ... Wo so verschiedene Nationen bei einander wohnen, ist es gar nicht denkbar, daß
sie zusammenwachsen zu einem großen, lebensfähigen und der Zukunft trotzenden Gesamtstaate. Sie
werden sich einst sondern, und wenn dieser Zeitpunkt kommt, dann wollen wir Deutsch-Österreich mit
Freuden aufnehmen.53

Die Rede Bassermanns zeigt die Problematik der groß- und kleindeutschen Lösung und deren
Verknüpfung mit anderen politischen Fragen wie der Oberhauptsfrage deutlich auf. Die Frage,
ob Österreich trotz einer preußischen Führung mit Erbkaisertum dem Deutschen Reich beitreten
wolle, war in jenen Tagen aktuell und wurde heftig diskutiert. Die Diskussion über die
groß- und kleindeutsche Lösung bekam dabei zusätzlichen Zündstoff, weil im Januar 1849
über die Oberhauptsfrage abgestimmt wurde, wobei drei Varianten zur Wahl standen: Ein
Direktorium, entweder vom Volk gewählt oder von den regierenden Häusern bestimmt, ein
republikanischer Präsident oder ein Kaiser, als Wahlkaiser oder in erblicher Monarchie. Die
Kleindeutschen traten vorwiegend für ein preußisches Erbkaisertum ein, während die Großdeutschen
eine preußische Vorherrschaft ablehnten, weil sie glaubten, dass dadurch die Chancen
eines gemeinsamen Staates mit Österreich verbaut würden. Bassermann, der für das

M Bassermann gehörte der Casinopartei an. war Mitglied des Zentralwahlausschusses, bekleidete das Amt des Vorsitzenden
des Verfassungsausschusses und war zudem Unterstaatssekretär im Reichsministerium des Innern.
Koch (wie Anm. 33), S. 75.

55 StadtAF. Dvd 7680 RARA. Teil 1. Blätter 156 f.

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