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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 150
(PDF, 48 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0150
daß die Ordnung nicht die Tochter ist, sondern die Mutter der Freiheit...
Wer verbürgt die Ordnung?
Die Staatsgewalt.
Was ist diese Gewalt?

Hier stehen wir vor der Hauptfrage. Wir sehen da zwei Wege; der eine breit und groß führt gerade zum
Ziele, zur erblichen Gewalt; - der andere gelangt auf Uniwegen über Abgründe und Felsen zur Wahlherrschaft
. - Wir haben nun aus der Geschichte und aus der Vernunft zu beweisen, daß die Wahlherrschaft
nicht die Ordnung verbürgt.

Allgemein wird angenommen, daß ein Gott ist, und daß, wenn keiner wäre, er erdacht werden müsste.
Die Atheisten leugnen Gott nur um ihre Personen an seine Stelle zu setzen. Der Atheismus ist die Selbstsucht
, der vergrößerte Stolz, im Menschen.

Und so wie mit der Ordnung in der Welt, in welcher Gott waltet, so ist's mit der Ordnung in einem
ihrer Theile, im Staat. Nur haben hier die Menschen die öffentliche Gewalt, - dargestellt durch das Genie
, - da dieses nicht immer da ist, wie Gott in der Welt, - ewig erdacht, indem sie dieselbe mittelst der
Frbiichkeit bleibend, dauernd erklären. Wer dies leugnet ist ein politischer Atheist, der will die Gesellschaft
seinem Stolz - aus Ignoranz. - oder seiner Persönlichkeit - aus Eigendünkel - zum Opfer bringen.
- Die Erblichkeit der Gewalt allein stellt in der That die Ordnung dar ohne Unterbrechung. Ohne diese
fleischgewordene Ordnung hat nichts Bestand. Einerlei ob sie durch ein Genie, einen Menschen, ein Ding,
ein Zeichen dargestellt sei; ein Sessel, ein Thron genügt. Wesentlich ist nur, daß die Idee der Ordnung immer
gegenwärtig und unvergänglich sei, damit ihr Leuchten uns immerdar auf dem Weg der Freiheit erhalte
.

Ob man Gott als Jude, als Katholik oder als Protestant verehre, er wird doch immer bleiben, was er
ist. Ebenso verhält sich's mit der Ordnung im Staat, welche den Thron einnimmt. Über den politischen
Parteien erhaben, ist ihr einerlei, ob im Namen der Aristokratie, der Bourgeoisie oder der Demokratie
regiert werde, wenn nur sie, die Ordnung immer bleibt, was sie ist. So soll die Ordnung im Staat, dargestellt
durch die Gewalt, unveränderlich, unverletzlich sein, heilig und ewig wie die Gottheit. Und wie die
Gewalt als solche den Thron einnimmt, so soll die Freiheit regieren.

Die Gewalt als Throninhaberin ist die Erblichkeit. Die Freiheit als Regierung ist die Wahl, das allgemeine
Stimmrecht. Die Freiheit ist in der That nicht unveränderlich. Sie kann nicht, wie die Ordnung mit
Jehova sagen: Ich werde immer sein, was ich bin. Die Freiheit wechselt mit den Interessen, den Zeiten,
dem Klima, den Sitten der Völker, sie ist die Frucht des Bodens und des Augenblicks. Die Ordnung dagegen
ist nicht vergänglich, nicht örtlich, sie ist überall, wie die Gottheit, deren Ausfluss sie ist. Die Freiheit
, oder mit anderen Worten die Wahl durch das allgemeine Stimmrecht, - das ist die Demokratie; die
Ordnung, d. h. die erbliche Gewalt, das ist die Monarchie. Und da die Ordnung für sich allein, dargestellt
in der erblichen Gewalt, in Despotie ausarten kann, so muss sie nothwendig beschränkt sein durch
das allgemeine Stimmrecht, dargestellt in der Demokratie und Freiheit.

Derart wird die Ordnung thronen und die Freiheit regierend

Weiter unten im Text warnte Weill vor einer reinen Demokratie und unterstrich seine Meinung
mit einer Reihe von negativen Beispielen. So behauptete er, dass die Massen niemals ein Genie
an die Spitze wählen würden. Stattdessen brächten sie gewalttätige Tyrannen und elende
Schmeichler an die Macht.65 Des Weiteren versuchte er zu widerlegen, dass allgemeines
Stimmrecht und Erbmonarchie nicht kompatibel seien, und betonte die Notwendigkeit einer
Erbmonarchie für die Stabilität eines Staates:

Nicht allein darf und kann die allgemeine Stimmgebung eine erbliche Monarchie einsetzen, sondern ohne
diese Gewalt würde selbst die allgemeine Stimmgebung ihrer Früchte nicht lange erfreuen. Die veränderliche
vergängliche Freiheit kann nur solange bestehen mit der unveränderlichen, beständigen Ordnung
... Die Ordnung, als erste und letzte Bedingung der Gesellschaft, stellt vor allem die Pflicht dar.
Die Freiheit dagegen, nur erst aus der Ordnung hervorgehend, stellt das Recht dar. Die Gesellschaft aber
ruht vorweg auf der Pflicht, ihrer Anerkennung und Erf üllung. Das Recht fängt erst an nach vollbrachter
Pflicht... Überall in der Natur sehen wir Gegensätze; der Mensch ist eine Verbindung von Himmel
und Erde. Leib und Seele; so in der sinnlichen Welt; sollte es in der moralischen, in der politischen anders
sein? Kann im Widerspruch mit den göttlichen Gesetzen eine absolute politische Form für sich
allein bestehen? Wo ist die reine Demokratie, die absolute Gleichheit Aller, welche Bestand gehabt und

M StadtAF. Dvd 7680 RARA. Teil 1. Blätter 154 f.
» Ebd.

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