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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 153
(PDF, 48 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0153
Dieser Wahlrechtsgesetzentwurf ist ein Hohn gegenüber den Forderungen des badischen Volkes, gegenüber
den Bedürfnissen der Zeit.

Nach diesem Entwürfe ist das verpönte alte Zweikammersystem beibehalten. Die erste Kammer soll
gleich der früheren ein Hemmschuh gegen alle zeitgemäße Forderungen des Volkes sein, sie soll aus 33
Mitgliedern bestehen, welche zwar nicht mehr vorzugsweise adelige Herren zu sein brauchen, die aber
viel Geld, viel Geld besitzen und 40 Jahre alt sein müssen.

Nach dem Beispiele des vom französischen Volke vertriebenen Königs Louis Philipp soll eine Geldaristokratie
den größten Einfluß auf die künftige badische Gesetzgebung und Verwaltung üben, eine
Geldaristokratie, die in ihrer unsäglichen Gewinnsucht und ihrer steten Angst vor dem Verluste ihres
Mammons taub sein wird gegen jede billige Forderung der Zeit. Statt Standesbevorrechtung kommt man
nun mit einer Klasseneinteilung des Bürgers ...

Wir protestieren, um für alle Zukunft die Schmach und den Vorwurf zurückzuweisen, als hätte das badische
Volk eine solche unter der Herrschaft der Bajonette vorgenommene Handlung stillschweigend hingenommen
.12

Der Landesausschuss der Volksvereine war der Meinung, dass der Wahlgesetzentwurf der badischen
Regierung dem allgemeinen Wahlrecht der Reichsverfassung widersprechen würde.

4.4. Das Parlament und seine Abgeordneten

Die Beschlüsse und die Abgeordneten des Bundestages in Frankfurt, des Vorparlamentes, der
Frankfurter Nationalversammlung oder des Landtages in Karlsruhe waren immer wieder das
Ziel von Flugschriften. Die Flugschriften nahmen dabei die Funktion einer politischen Gegenöffentlichkeit73
ein, welche auf die institutionalisierte politische Öffentlichkeit des Parlamentes
einzuwirken suchte.74

4.4.1. Kritik an den parlamentarischen Vertretern

Mit der wachsenden politischen Unzufriedenheit nahm die Kritik an den parlamentarischen
Vertretern zu. Dabei wurde oftmals die Distanz zwischen Volksvertretern und Volk thematisiert
. Es wurde vor allem kritisiert, dass sich die Volksvertreter nie für die Belange des Volkes
eingesetzt hätten oder sich nicht mehr einsetzen würden.

Der Inhalt eines Flugblattes bezog sich direkt auf den deutschen Bundestag in Frankfurt, der
nach dem Wiener Kongress gebildet wurde und unter österreichischem Vorsitz stand. Er war
keine Volksvertretung, sondern bestand aus Gesandten, die von den Fürsten ernannt und nach
Frankfurt geschickt wurden. Aus diesem Grund sprach das Flugblatt den Abgeordneten auch die
Legitimation ab, die Interessen des Volkes zu vertreten und forderte sie zum Rücktritt auf, damit
an ihrer Stelle frei gewählte Männer die Geschicke Deutschlands lenken könnten (Abb. 2).75

Aber auch die Abgeordneten eines frei gewählten Parlamentes waren nicht gänzlich gegen
Kritik gefeit, wie den Flugblättern der badischen Volksvereine zu entnehmen ist:

Mitbürger! Die gegenwärtige Ständeversammlung entspricht nicht mehr den Bedingungen einer Volksvertretung
, wie sie nach den Anforderungen der Zeit und den fortgeschrittenen politischen Bedürfnissen
des Volkes geboten ist. Sie stützt sich in ihrer ganzen Zusammensetzung auf Grundsätze, deren Herrschaft
bereits seit einem Jahre aufgehört hat. Das Volk hat seinerseits Schritte getan, um sich gegen das Unrecht
zu schützen, welches aus der fortgesetzten Thätigkeit einer solchen Versammlung hervorgehen muss; es
hat in zahllosen Adressen an die zweite Kammer die Auflösung der bestehenden Ständeversammlung verlangt
. Die zweite Kammer hat bis auf den heutigen Tag diesem gerechten Begehren des Volkes ihren hart-

72 Ebd., Blatt 221.

73 Vgl. Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen
Gesellschaft. Berlin 1962, S. 122 ff. Habermas behandelte dabei die Entstehung der parlamentarischen Öffentlichkeit
und die Bildung einer Gegenöffentlichkeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England.

74 Sigrid Weigel: Flugschriften 1848 in Berlin. Versuch zu einer politischen Literaturgeschichte deutscher Flugschriften
in der Dialektik von bürgerlicher und nicht-bürgerlicher Öffentlichkeit. Hamburg 1977, S.130 ff.

^ StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blatt 8.

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