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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 162
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0162
wurde von einem bestochenen oder übereifrigen badischen Soldaten das Gerücht verbreitet,
dass General Gagern von Hecker während einer Unterredung meuchlings ermordet worden sei.
Dieses Gerücht wurde von den Gegnern Heckers instrumentalisiert und in Flugschriften und
Liedern aufgenommen.111 In einem von mehreren Bürgern, die dem Heckerzug ablehnend gegenüberstanden
, herausgegebenen Flugblatt hieß es beispielsweise:

Blut ist jetzt geflossen in Baden; das erste Opfer des frevelhaften Bürgerkrieges ist der Führer der Bundestruppen
, ist einer der tüchtigsten Feldherren, ist ein edler Mann geworden, auf den das Vaterland für
den Fall des Krieges große Hoffnungen setzte. Und wie ist er gefallen? Nach den bis jetzt einlaufenden
Nachrichten lässt sich noch nicht entscheiden, wie nahe die auf Gagern nur zu gut gezielten Schüsse dem
Meuchelmord stehen. Aber lässt man dies dahingestellt: welches deutsche Herz, das für die vaterländische
Ehre schlägt, ist nicht empört schon darüber, daß es dahin kommen konnte!U2

Den Freischärlern wurde also unterstellt, Gagern bewusst erschossen zu haben. Rhetorisch geschickt
wurde Gagern als großer Feldherr dargestellt, dessen Verlust für ganz Deutschland
schmerzhaft sei. Mit der Taktik einer überschwänglichen und positiven Bewertung der Person
Gagerns sollten die Freischärler demontiert und die Frevelhaftigkeit der Tat unterstrichen werden
. Dagegen wehrte sich Hecker in einem Flugblatt, in welchem er seine Sicht der Dinge darlegte
:113

Zu den schlechten Mitteln monarchischer Reaktion, welche sich nicht entblödet, die aus Begeisterung für
Volk und Volksfreiheit geschehene republikanische Schilderhebimg auf das Nichtswürdigste zu verleumden
, jener Reaktion, die nur den niederen Leidenschaften des Eigennutzes, der Furcht und Aufopferungs-
Unfähigkeit schmeichelt - zu jenen schlechten Mitteln gehört vor allem die boshafte und schändliche Erdichtung
, als sei General Gagern meuchlings gefallen. - Wiederholt erzähle ich den Hergang, wie er sich
wirklich zugetragen hat, und appelliere an die Ehrenhaftigkeit der Augenzeugen, an die Ehrenhaftigkeit,
welche ein Feind dem andern schuldig ist, damit sie die Wahrheit meiner Behauptung bestätigen ... Ich
stand bei einem Fähnlein am Berge, als mir zugerufen wurde, Gagern wünsche mich zu sprechen ... Ich
stieg den Weg herab, begleitet von mehreren republikanischen Anführern, und traf mit Gagern auf der
Mitte einer vor der Stadt Kandern befindlichen Brücke beisammen, wo er mich anredete. „Sie, d.h. die
Republikaner müssen die Waffen niederlegen", was ich natürlich ablehnte ... Damit hatte das Parlamen-
tieren und der erste Akt der Handlung ein Ende. - Wir verließen nun unsere Position vor Kandern, sammelten
unsere Korps auf der Straße und marschierten vorwärts bergauf... In einiger Entfernung marschierten
uns die Linientruppen, die Hessen voran nach ... Als die uns nachrückende Linie sah, daß wir
Halt machten, hielt sie ebenfalls an ... Die Gegner standen so, daß das hessische Fußvolk voranstand,
wie man denn wohlweislich stets vermieden hatte, uns badische Truppen gegenüberzustellen. Die Republikaner
empfingen nun diese mit einem Zuruf, schwenkten die Mützen oder Hüte, riefen: „Kein Bürgerblut
vergießen, Ihr seid unsere Brüder, es lebe die Freiheit, tretet in unsere Reihen" ... Schon traten
aus den vordersten Reihen der Hessen 8- 10 Soldaten vor, offenbar in der Absicht friedlicher Begegnung.
Als dies bemerkt wurde, ritt Gagern vor, einer oder mehrere Unteroffiziere begaben sich ebenfalls vor.
Die Soldaten traten in die Reihen zurück, nachdem er ihnen etwas zugesagt hatte; Feuer wurde kommandiert
... Erst nachdem nun Gager' scher Seits gefeuert worden, feuerten unsere Leute, es fiel Gagern,
und fast gleichzeitig mit ihm fielen noch andere, verwundet oder todt, das konnte ich nicht unterscheiden.
Es ist also eine wahre Schändlichkeit, behaupten zu wollen, Gagern sei beim Parlamentieren erschossen
worden, und kein Ehrenmann, mag er auch mein politischer Feind sein, wird je glauben, daß Republikaner
, daß ich fähig sei, einen Meuchelmord auch nur durch Zusehen zu gestatten.114

111 Vgl. das Guckkastenlied vom großen Hecker. Strophen 5 und 6. StadtAF. Dvd 7680 RARA. Teil 1. Blatt 152.
Vgl. Das Treffen bei Kandern. Es handelte sich dabei um ein altes Spottlied auf Napoleon, welches auf Hecker
übertragen worden war, Meier (wie Anm. 95), S. 237 f.

112 StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blatt 99a.

113 Vgl. dazu den Bericht des Freischärlers Theodor Mögling, der in vielen Punkten mit der Version Heckers übereinstimmte
, Theodor Mögling: Erlebnisse während der ersten Schilderhebung der deutschen Republikaner im
April 1848, zitiert nach: Eduard Kaiser. Praktischer Arzt in Lörrach „ein Politikus mit durchdringendem Verstand
" und andere Autoren berichten über die Badische Revolution. Hg. von Siegfried Bühler. Blansingen und
Kirchen 1997, S. 121 f.

114 StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blatt 115.

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