Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 170
(PDF, 48 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0170
sehen aus ihrem Irrweg zu befreien und sie zur cartesianischen Klarheit zu führen - am besten
mit Hilfe des französischen Bildungssystems.3

Von letzterem besaß Schmittlein eine präzise Vorstellung. Er war 1944 Mitglied einer Kommission
gewesen, die ein modernes Bildungswesen für das befreite Frankreich ausarbeiten
sollte. Diese entwarf das Modell einer sozial gerechten Leistungsschule, die zwar auch tradierte
Bildungsgüter vermitteln, aber vorzugsweise dem Fortschritt und der politisch-gesellschaftlichen
Modernisierung dienen sollte.4 Ihr Ziel war, wie es Schmittlein auf eine griffige
Formel brachte, den traditionellen recrutement de classe durch einen strengen recrutement
cVelite zu ersetzen.5 Ihr Tenor entsprach im übrigen weitgehend den Richtlinien für die Neugestaltung
des Deutschen Bildungswesens des Alliierten Kontrollrates vom 25. Juni 1947,6 die
wiederum unter malSgeblichem französischen Einfluss zustande gekommen sind.7

Schmittleins unbeirrter Glaube an eine besondere Kulturmission Frankreichs bescherte dem
deutschen Südwesten in der Folge wichtige Elemente des französischen Schulsystems wie beispielsweise
das Zentralabitur, die Koedukation oder das Einheitsgymnasium. Schmittlein hielt
auch dann noch zäh und listenreich an seiner Vision fest, als ihn seine eigene Regierung nach
heftigen Protesten - unter anderem durch den Bischof von Mainz - abgemahnt hatte, das französische
Bildungssystem undifferenziert auf das deutsche zu stülpen.8

Aber das Vorgenannte wäre nur die halbe Wahrheit über den großen Franzosen.9 Denn
Schmittlein hat die Bildungslandschaft Südwestdeutschlands durch zahlreiche Impulse bereichert
und modernisiert10 - mehr als das erstarrte Land damals aus eigener Kraft hätte leisten
können. Und mit der Gründung der Universität Mainz, der Dolmetscherhochschule Germersheim
oder der Verwaltungshochschule Speyer hat er sich bleibende Denkmäler im Nachkriegsdeutschland
geschaffen.

Gleich zu Beginn der Besatzungsherrschaft verdeutlichte die DEP in einem Rundschreiben
an alle untergeordneten Delegations Superieures der französischen Zone, dass im Bildungsbereich
künftig bei allem Respekt vor deutschen Autoritäten letztlich nur der Wille der Besatzungsmacht
zu gelten habe." Diesen Willen präzisierte sie Anfang September 1945 im Blick

3 Zu Schmittleins Konzeption vgl. seine Denkschrift vom 27.1.1948. Deutsche Übersetzung in: Französische Kulturpolitik
in Deutschland 1945-1949. Berichte und Dokumente. Hg. von Jerome Vaillant. Konstanz 1984, S.
161-185.

4 Vgl. Christian Schneider: Neue Erziehung und Schulwesen in Frankreich unter besonderer Berücksichtigung
der Schulreformversuche von 1930 bis 1959. Heidelberg 1963. bes. S. 87f.

5 Stefan Zauner: Demokratischer Neubeginn? Die Universitäten in der französischen Besatzungszone. In: Regionale
Eliten zwischen Diktatur und Demokratie. Baden und Württemberg 1930-1952. Hg. von Cornelia
Rauh-Kühne und Michael Ruck. München 1993, S. 359.

6 Text in: Die Geschichte des Gymnasiums seit 1945. Dokumente und Kommentare. Hg. von Robert Ulshöfer.
Heidelberg 1967, S. 9f.

7 Schreiben Schmittleins an die Delegations Superieures vom 16.6.1947. In: Ministere des Affaires Etrangeres:
Archives de Toccupation francaise en Allemagne et en Autriche, Colmar (AOFA), AC 130/3.

8 Schreiben des französischen Außenministeriums an die Militärregierung vom 4.7.1947. In: Hochschuloffiziere
und Wiederaufbau des Hochschulwesens in Westdeutschland 1945-1952. Teil 3: Die französische Zone. Hg. von
Manfred Heinemann. Hildesheim 1991, S. 283f. Zum Ganzen vgl. Zauner (wie Anm. 1), S. 102-107. Das
Selbstverständnis Schmittleins umschreibt treffend sein ehemaliger Mitarbeiter Robert Marquant: // s'estimait,
en fonetion de la capitulation sans condition de VAllemagne et en absence de tout gouvernement allemand,
comme ministre de l'Education publique dans la zone francaise d'oecupation. In: Heinemann, S. 26.

9 So der Titel des eigenwillig autobiographischen Buches des renommierten Reformationshistorikers Peter
Manns (wie Anm. 1).

10 Vgl. dazu Corine Defrance: La politique culturelle de la France sur la rive gauche du Rhin 1945-1955. Straßburg
1994, besonders S. 117f.

11 Rundschreiben vom 24.8.1945 (ausgefertigt vom Administrateur General Laffon): // sera bon egalement d'atti-
rer Vattention de tous sur la Situation morale et la consideration dont jouissaient autrefois en Allemagne pro-
fesseurs et instituteurs ...II Importe donc au plus haut point de prouver ä tous les membres du corps enseignant
que nous respectons les fonetions dont ils sont ete investis et que nous ne songeons pas ä les diminuer aux yeux
de leurs concitoyens. La consideration exterieure dont nous les entourons n 'exclut pas le moins du monde la fer-

170


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0170