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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 204
(PDF, 48 MB)
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als der positive, schöpferische Akt zum Verneinungsakt der Platz.besetz.ung gilt,4 wird hierbei
besonders in den Bliek genommen.

Die Auseinandersetzung in Wyhl und die Anti-Atomkraftbewegung

Die Anfänge der zivilen Nutzung der Atomenergie in Deutsehland liegen in den frühen 1950er-
Jahren. Ein erster Reaktor wurde 1960 in Kahl am Main fertig gestellt. 1965/66 wurden in
Karlsruhe und Jülich Forschungsreaktoren in Betrieb genommen. Bis 1975 folgten insgesamt
sechs KKWs. zudem war der Bau von 24 weiteren geplant bzw. im Gange. Schon früh kam es
zu Auseinandersetzungen um Standorte bis hin zu Klagen von Anliegern; auch einige Wissenschaftler
warnten vor Gefahren. Die Kernenergie war jedoch nicht Thema einer breiten öffentlichen
Debatte. Ein gesellschaftlicher Umschwung wurde erst nach 1970 spürbar. Schon
zuvor war ein Interesse an Umweltfragen vorhanden gewesen, das nun von Medien und Politik
aufgegriffen, zusammengefasst und intensiviert wurde. Wirtschaftliche Probleme und das
Stocken der Planungs- und Reformvorhaben der Regierung verstärkten das Problembewusst-
sein.5

Als 1970 erstmals bekannt wurde, dass die Kernkraftwerke Süd GmbH, eine gemeinsame
Tochter des Badenwerks und der Energieversorgung Schwaben, ein Kraftwerk bei Breisach
plante, formierte sich der Protest jedoch nur langsam. Wir haben uns keine Gedanken über
Vor- und Nachteile gemacht, berichtet ein Bauer im Rückblick.6 Der Anstoß zu Informationen
und später auch ersten Aktionen kam von Naturschützern und einer kleinen Gruppe von
Wissenschaftlern. Träger waren zunächst vor allem akademisch Gebildete wie Ärzte oder
Apotheker. Mit der These, das Kleinklima könne sich als Folge des KKW-Baus verändern,
wurden auch Bauern und Winzer überzeugt, die um ihre Sonderkulturen und damit ihre Existenzgrundlage
bangten. Der Bau eines KKWs am Kaiserstuhl ist zudem als erster Schritt für
die weitere Industrialisierung des Oberrheingebiets gesehen worden. Ein Kommentar zur Landesplanung
im Staatsanzeiger Baden-Württemberg macht den weiteren Zusammenhang überdeutlich
:

Rückt nämlich die EWG [Europäische Wirtschaftsgemeinschaft] noch näher zusammen so wird das
Rheintal zwischen Frankfurt und Basel die Wirtschaftsachse überhaupt werden ... Sachverständige Leute
sind deshalb der Ansicht, die Ebene soll für die gewerbliche und industrielle Nutzung freigegeben werden
, während die Funktionen „ Wohnen " und „ Erholung " usw. in der Vorbergzone und in den Seitentälern
des Rheins angesiedelt werden sollten.1

Die Wirkung dieser Zukunftsvision auf die Bevölkerung der landwirtschaftlich geprägten Region
sollte bei der Motivsuche nicht übersehen werden.

1945. Konzepte. Konflikte. Kompetenzen. Hg. von Franz-Josef Brüggemeier und Jens Ivo Engels. Münehen
2005, S. 268-286; Albrecht Weisker: Powered by Emotion? Affektive Aspekte in der westdeutschen Kernenergiegeschichte
zwischen Technik vertrauen und Apokalypseangst. In: Brüggemeier/Engels (wie oben), S. 203-
221.

4 Wolfgang Beer: Lernen in Bürgerinitiativen. Die Volkshochschule Wyhler Wald und Möglichkeiten ihrer Übertragbarkeit
auf andere Widerstandsbewegungen. In: Widerstand gegen Atomkraftwerke. Informationen für
Atomkraftgegner und solche die es werden wollen. Hg. von Hans-Christoph Buchholz u.a. Wuppertal 1978,
S. 83-103, hier S. 98.

5 Vgl. zu diesen Themenkomplexen Dieter Rucht: Von Wyhl nach Gorleben. Bürger gegen Atomprogramm und
nukleare Entsorgung. München 1980; Karl-Werner Brand/Detlef BCsser/Dieter Rucht: Aufbruch in eine
andere Gesellschaft. Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik. Frankfurt a.M./New York 31986; Wolfgang
D. Müller: Geschichte der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1 und 2. Stuttgart 1990
und 1996; Franz-Josef Brüggemeier: Tschernobyl, 26. April 1986. Die ökologische Herausforderung. München
1998.

6 Zitat aus Gladitz (wie Anm. 1). S. 36.

7 Staatsanzeiger Baden-Württemberg 76, 1972. Zitiert nach: Hans-Helmut Wüstenhagen: Bürger gegen Kernkraftwerke
. Wyhl - der Anfang? Reinbek 1975, S. 13.

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