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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 208
(PDF, 48 MB)
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2) Wissenschaftlich abgesicherte Information, frei von Emotionen, zu liefern, als einwandfreie, nicht vom
Tisch zu wischende Argumente gegen das Kernkraftwerk.14

Die Veranstaltungen fanden an mehreren Abenden in der Woche im „Freundschaftshaus"
statt. Von verschiedenen Dozenten - Wissenschaftlern, Studenten, Politikern, Landwirten -
wurde eine breite Palette von Themen behandelt. Der erste Vortrag behandelte das Thema „Wie
funktioniert ein Atomkraftwerk?", aber auch über die Kernenergie hinaus wurden Reihen wie
„Probleme der Landwirtschaft" oder „Reisen, Fahrten, Fremde Länder" organisiert. Daneben
wurden Lieder- und Heimatabende, Theateraufführungen, Podiumsdiskussionen und Exkursionen
durchgeführt. Nachdem der Bauplatz verlassen wurde, fanden die Veranstaltungen in
den umliegenden Gemeinden statt, später auch in den angrenzenden Regionen Breisgau und
Markgräflerland sowie in Freiburg. Betrachtet man die Artikel und wissenschaftlichen Arbeiten
aus den späten 70er-Jahren, die über die VHS berichten, erkennt man vier Interpretationslinien
, die Selbstverständnis und Wahrnehmung der VHS prägten.

Erklärtes Ziel der VHS war in erster Linie die Selbstinformation, also die Vermittlung von
Wissen über die Problematik der Kernenergie. Ein besonderer Vorteil der Befürworter, von
Landesregierung und Betreibern, war es zuvor gewesen, auf Sachverständige verweisen zu
können. Die Volkshochschule stellte spiegelbildlich dazu das Forum für Gegenexperten dar.
Einerseits sollten die Informationen der gesamten badisch-elsässischen Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden, andererseits sollte den in den Bürgerinitiativen Engagierten Argumentationshilfe
gegeben werden. Der Liedermacher Walter Mossmann betont vor allem letzteres
, denn die Massen ... werden nicht in der Volkshochschule Wyhlerwald, nicht durch Vorträge
und Literatur, sondern durch informelle alltägliche Kommunikation gewonnen. Er berichtet
stolz, dass die Absolventen der Volkshochschule Wyhlerwald gut für Diskussionen mit
Politikern und Fachleuten gerüstet seien.15 Solche Beschreibungen ähneln also durchaus der
Sicht des Spiegels, Arbeiter und Winzer, Hausfrauen und Bäuerinnen [ließen sich] nach und
nach von Experten wissenschaftlich für die Fortsetzung ihres Feldzuges ... salben.16

Die Arbeit der Volkshochschule als „Schule des Widerstands" wird als äußerst erfolgreich
angesehen. Alle, denen man auf dem Bauplatz begegne, seien auffallend gut informiert, referierende
Professoren über das Niveau der Diskussion verblüfft, so lautet der einhellige Tenor
der zeitgenössischen Berichte. Die VHS sollte aber nicht nur gegen etwas informieren,
sondern für etwas: für das Leben, wie es Lore Haag, die inzwischen verstorbene „Mutter
Courage vom Kaiserstuhl", in einer Festrede zum vierjährigen Bestehen der VHS ausdrückte
.17 Man versuche vielmehr, ein konstruktives Element zu integrieren und Alternativen
aufzuzeigen. Solche Interpretationen sehen die VHS also als Anfang einer neuen, alternativen
Lebensweise.

Zweitens wird die Volkshochschule meist als Klammer, die die Bewegung zusammenhält
und deren Kontinuität sichert, beschrieben. Attraktive Veranstaltungen sollten die Platzbesetzung
stabilisieren, indem sie die Leute anzogen und dabehielten. Es ging darum, für die Platz-
besetzung zu werben oder - weiter gefasst - viele Menschen anzusprechen und so den Kreis
der Atomkraftgegner zu erweitern. Es ist deshalb oft von einem Solidarisierungseffekt die
Rede, der die Akzeptanz der illegalen Platzbesetzung wachsen ließ und somit eine Barriere

14 Wolfgang Beer: Die Volkshochschule Wyhler Wald. In: Hessische Blätter für Volksbildung 25. 1975. S. 259-
263. hier S. 262.

15 Walter Mossmann: Volkshochschule Wyhlerwald. In: Freiheit zum Lernen. Alternativen zur lebenslänglichen
Versendung. Die Einheit von Leben, Lernen, Arbeiten. Hg. von Heinrich Dauber und Etienne Verne. Reinbek
1978, S. 156-172, hier S. 162.

16 Brügge (wie Anm. 11). S. 42.

17 Einige Auszüge aus der Rede bei Wolfgang Beer: „Mir lehre uns z'wehre". Das Atomkraftwerk wird nicht gebaut
. In: zitty. Nr. 13, 1979. S. 24f.

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