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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 216
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0216
essen liegen, legt es nahe, die VHS gerade in ihrer zeitlichen Veränderung zu betrachten.36 Der
besetzte Bauplatz im Wyhler Wald ist etwas anderes als die Hörsäle der Freiburger Universität,
die aktionsreichen Tage der Platzbesetzung sind anders als die der endlosen Gerichtsverhandlungen
. Ein erster wesentlicher Einschnitt stellt dabei das Verlassen des Bauplatzes im November
1975 dar. Ein zweiter lässt sich im Herbst 1976 festmachen, als erstmals ein Programm
in Freiburg durchgeführt wurde, und die Termine eines Programms nicht mehr geschlossen an
einem Ort stattfanden, sondern sich auf den Kaiserstuhl, Freiburg und die angrenzenden Regionen
verteilten.

Der Beginn der VHS Wyhler Wald war geprägt von der „Aktion Umweltschutz" und ihrem
Ziel einer breit angelegten Wissensvermittlung. Den Schwerpunkt stellte die Information über
Atomenergie dar, aber auch andere Umweltgefährdungen und Vorträge über ferne Länder und
Kulturen wurden thematisiert. Schon im 2. Programm findet sich ein Abend mit dem aus Karlsruhe
stammenden Liedermacher Walter Mossmann. Kulturelle Veranstaltungen gewannen aber
erst dann wirklich an Bedeutung, als unter den Kaiserstühlern Kritik am Bildungsprogramm
laut wurde. Der Versuch, Kaiserstühler in das Programm einzubinden, ist als Indiz dafür zu
werten, dass man die Möglichkeiten der VHS für die Mobilisierung alter und neuer Sympathisanten
zu erkennen begann. Je stabiler die Platzbesetzung wurde und je deutlicher sich erwies
, wie wichtig die Volkshochschule Wyhler Wald auch für die Kontinuität der Bewegung ist,
um so deutlicher rückte sie in den Mittelpunkt, meint auch Mossmann.37 Das umfangreicher
werdende Kulturprogramm wurde als Mobilisationsfaktor entdeckt. Das „Freundschaftshaus"
war der Treffpunkt der Beteiligten, an dem man fast zwangsläufig zusammenkam, um aktuelle
Entwicklungen zu diskutieren. Die VHS wurde damit zum Kommunikationszentrum der Bürgerinitiativen
. Dabei trafen verschiedene Standpunkte aufeinander, die eine Diskussion der
Differenzen innerhalb der Bewegung anstießen. Sicher half das, Spannungen vorzubeugen,
inwiefern es letztlich zur Synthese kam, bleibt aber fraglich. Zwei Beispiele können die auftretenden
Probleme illustrieren. So berichtet Mossmann vom Auftritt eines Chors aus König-
schaffhausen:

Dass die Inhalte dieser Chorwerke in einem gewissen Widerspruch zu den gegenwärtigen
Erfahrungen stehen, wird kaum bewußt, ist auch so einfach gar nicht zu diskutieren ...
Viel Obrigkeitsdenken und Schlagen nach unten steckt im Brauchtum; dann, völlig un-
verbunden, kommen rebellische Geschichten und Lieder, alte und neue.

Und Beer beschreibt einen Liederabend mit den Worten:

Jüngere Besucher stöhnten während eines fast 2stündigen Vortrags von Volksliedern
zunächst über den Kitsch und Seelenschmalz. Anschließend singen sie aber Widerstandslieder
gegen das Kernkraftwerk zu den selben Melodien und in derselben Mundart begeistert
m//.38

Diese Veranstaltungen konnten also durchaus einen gespaltenen Charakter haben, womit die
Mobilisation eindeutig vor die Integration zu setzen wäre.

Mit dem Verlassen des Bauplatzes veränderte sich auch die Situation für die VHS Wyhler
Wald, die nun von Dorf zu Dorf wanderte. Einerseits war es hierdurch möglich, in den Dörfern
jeweils neue Leute anzusprechen, andererseits verlor die Volkshochschule damit ihre inhaltliche
Einheit. Vor allem aber ging dem Widerstand sein greifbares Zentrum verloren. Der
Volkshochschule fiel die Aufgabe zu, den Protest weiterhin sichtbar zu machen und im
Bewusstsein zu halten. Dazu dienten auch Informationsabende der Bürgerinitiativen, um die
Bevölkerung über den Fortgang der Ereignisse auf dem Laufenden zu halten. Zu Lasten des

36 So Frank Baum. Zitiert nach Beer (wie Anm. 24), S. 137.

37 Mossmann (wie Anm. 15). S. 161.

« Zitate aus ebd.. S. 170, und Beer (wie Anm. 24), S. 87.

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