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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 218
(PDF, 48 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0218
sem Schritt begann sich die Volkshochschule auch regional auszudifferenzieren. Erste Veranstaltungen
in Freiburg sollten die Zusammengehörigkeit von Stadt und Land zum Ausdruck
bringen. (Dass man dies für nötig hielt, deutet aber eher darauf hin, dass diese Koalition gefährdet
war). Im Markgräflerland versuchte die VHS, dem Widerstand gegen das KKW im
französischen Fessenheim Impulse zu geben. Auf dem besetzten Bauplatz für einen Strommasten
in Heiteren (Elsass) wurde kurzfristig die Mobilisierungswirkung von Volkshochschulveranstaltungen
genutzt. Wie schon Beller feststellt, trat die VHS Wyhler Wald hier aber
überall als Institution auf, die Angebote macht, und die doch, bitteschön, die Bürger nutzen sollen
.40 Die regional unterschiedlichen Veranstaltungsprofile deuten darauf hin, dass auch das
Publikum nicht mehr einheitlich war. Der Kaiserstuhl blieb mit über 40 % der Veranstaltungen
das Zentrum der VHS. In Freiburg und im Markgräflerland standen zunächst Informationsveranstaltungen
im Vordergrund, bald schon gewannen aber Kulturveranstaltungen in der Stadt
und später auch darüber hinaus an Bedeutung. Veranstaltungen wie Treffen mit Elsässern (75.
Programm) und autonomen Gruppen (57. Programm) deuten aber darauf hin, dass die Volkshochschule
mit der Zeit die Selbstverständlichkeit ihrer integrativen Kraft verlor. Nach 1984
fanden keine Liederabende mehr statt; und insbesondere nach dem (vorläufigen) Verzicht auf
Wyhl gingen die Veranstaltungen zur Atomkraft deutlich zurück. Die Volkshochschule scheint
sich nun vor allem als alternativ-ökologische Bildungseinrichtung verstanden zu haben, aber
neue Themen wie das Waldsterben oder der Ökolandbau gewannen keinen vergleichbaren Stellenwert
. Der Umfang der Veranstaltungen ging kontinuierlich zurück, auf die letzten vier Jahre
entfallen genauso viele Programme wie auf die ersten acht Monate.

Ein Grund dafür, warum die VHS Wyhler Wald 1988 zu existieren aufhörte, obwohl sie die
Auseinandersetzung um das KKW so lange überdauert hatte, dürfte darin zu sehen sein, dass
sie im Laufe der Zeit ihre Unverwechselbarkeit verlor. Sie war insofern überflüssig geworden,
weil andere Organisationen ihr folgten und entsprechende Bildungsangebote machten - auch
die Programme der „herkömmlichen" Volkshochschulen. Vielleicht gilt ähnliches für den Bereich
der Volkskultur, wo bald andere Vereine gegründet wurden. Beer allerdings erklärt, es sei
weiterhin fast ausschließlich die VHS Wyhler Wald, die der badisch-elsässischen Bevölkerung
die Gelegenheit gab, ihre gemeinsame Sprache, Kultur und Widerstandstraditionen wiederzu-
entdecken und weiterzuentwickeln.^ Dann aber macht die langfristige Entwicklung deutlich,
wie sehr auch dieser Bereich vom Protest abhängig war. Auch die Bedeutung der VHS für die
politische Emanzipation der Bevölkerung relativiert sich dadurch; im Laufe der Zeit wurde die
VHS selbst sozialisiert. Hier gilt dasselbe wie für die Region selbst: Die Wyhler Ereignisse
und die VHS Wyhler Wald haben sie verändert, aber nicht so spektakulär wie es die Euphorie
der Beteiligten vermuten ließe.

Mir lehre uns z wehre - Wyhl zwischen Lehrstück und Mythos

Die VHS Wyhler Wald ist ein komplexes und vielschichtiges Phänomen, das über die Wyhler
Ereignisse hinausweist und gleichzeitig wie ein Kaleidoskop derselben wirkt. Die Volkshochschule
Wyhler Wald ist nun ein Teil der Geschichte unserer Heimat geworden und ich darf deshalb
sagen, dass diese Geschichte ohne die Volkshochschule anders verlaufen wäre, schreibt
Thomas Lehner zu Recht in einem Brief an den Organisationskreis.42 Erkennt man der VHS
Wyhler Wald aber all das zu, was in ihr gesehen wurde, stilisiert man sie zwangsläufig zum
Mythos.

Gedacht war die VHS Wyhler Wald als Informationsforum; eine Funktion, die sie vor allem

40 Vgl. Beller (wie Anm. 18), S. 282.

41 Beer (wie Anm. 4). S. 97.

42 ASBF, 12.1.11.1. Programme VHS Wyhler Wald, Auszug aus einem Brief Thomas Lehners an den Organisationskreis
, 1980.

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