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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 227
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Ein „Buch im Buch" ist mit 139 Seiten der weit ausholende Beitrag von Markus Müller über den von
Wimpfeling 1512 zum Druck gegebene Bischofsspiegel des Heinrich Füller von Hagenau aus dem Jahr
1305, freilich in der Wimpfeling vorliegenden Bearbeitung durch den Heidelberger Theologen Heinrich
von Hagenau aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Müller ediert den Fullerschen Text von 1305 sowie
eine deutschsprachige Version aus dem 15. Jahrhundert. Felix Heinzer skizziert Lebensweg und „Karriere
" des Johannes Müller/Molitor aus Rastatt, einer weniger bekannten Figur des oberrheinischen
Humanistenkreises; Grundlage ist eine bisher unbeachtete handschriftliche Quelle. Zu den „ziemlich unbekannten
" Personen zählt auch der Straßburger Gelehrte Johannes Hug aus Schlettstadt, dessen Qua-
druvium ecclesiae/Der heiligen Kirchen und des Römischen Reichs Wagenfur von Klaus Graf vorgestellt
wird; beigegeben ist Hugs Widmung an Kardinal Raimund Peraudi aus der deutschsprachigen Fassung.
Mit Sebastian Brant, Jakob Locher und Heinrich Glarean werden drei der bekanntesten oberrheinischen
Humanisten behandelt (jeweils von Antje Niederberger, Frank Wittchow und Albert Schirrmeister).
Sabine Holtz untersucht die Rolle, die das Bildungsprogramm Philipp Melanchthons unter gewandelten
Bedingungen und Anforderungen im Württemberg des 17. Jahrhunderts gespielt hat. Die Erzählstruktur,
die „epische ars narrativa" zweier Romane beleuchtet Theodor Verweyen; es handelt sich zum einen um
Jörg Wickrams 1557 erschienenen Goldtfaden und zum anderen um Martin Opitz' Argenis von 1626. Die
Untersuchung der Erzähltaktiken und die sich anschließende Analyse der formgeschichtlichen Filia-
tionen sind unterlegt von der Frage, „ob der sog. ,Barockroman' am Ende .humanistischer' sei als der
im Horizont des städtischen Humanismus' entstandene deutsche Prosaroman Mitte des 16. Jahrhunderts
".

Die knappen Angaben zum Inhalt der einzelnen Beiträge lassen freilich nicht erkennen, dass alle
Beiträge ein zentrales Thema explizieren - das Wechsel Verhältnis zwischen einer neuen humanistischen
(Gelehrten-)Kultur und alten herrschaftlichen Ansprüchen („Neue Gelehrte im Dienst alter Herren").
Denn die neuen Ideale ließen sich nur mit den „alten Herren" (das heißt im Rahmen überkommener gesellschaftlicher
und politischer Verhältnisse), nicht gegen sie verwirklichen. Weit davon entfernt, sich als
quasi jugendlich-oppositionelle Bewegung zu verstehen, fügten sich die Vertreter der „studia humaniora"
in gegebene Kontexte und Konventionen ein, begaben sie sich in Allianzen und Abhängigkeiten, stellten
sie ihr Wissen öffentlich-wirksam in den Dienst der Herrschaft. Indem sie ihre intellektuellen Überzeugungen
letztlich zu Tatsachen fürstlicher Herrschaft machten, sicherten sie sich die Existenz und ihren
Idealen die Wirksamkeit.

Diese Grundthese des Buches (ausgeführt in der Einleitung und im Resümee der Herausgeber) wird in
den Beiträgen von Antje Niederberger („Brant hat sich seine Funktion als kaiserlicher Ratgeber und seine
Nähe zum kaiserlichen Hof förmlich erschrieben"), Frank Wittchow (zu Lochers Dichterkrönung: „Der
Kaiser erhält Panegyrik, [der] Dichter Prestige und Förderung") und Albert Schirrmeister (Glareans
„Widmungen seiner Editionen und Kommentare sind sein Weg, sich die notwendige Legitimation und
Unterstützung aus dem Feld der Macht zu erarbeiten, um seine Existenz als gelehrter Literat führen zu
können") gezielt und klar exemplifiziert. Auch Johannes Hug widmete sein Quadruvium ecclesiae Kaiser
Maximilian und legte es gleichzeitig dem Erzbischof von Mainz zur Prüfung vor; doch ihm blieb es
versagt, damit zu reüssieren: „Ein einflussloser Kleriker hatte am Kaiserhof wohl nur dann Chancen,
wenn er mehr bot als traditionelles kanonistisches Lehrbuchwissen" (Klaus Graf). Johannes Müller/
Molitor schließlich war als Erzieher des Markgrafen Jakob II. von Baden so sehr Diener seines Herrn,
„dass für die eigene Wirkung nach außen kaum oder wenig Raum blieb" (Felix Heinzer). Damit stellen
die fünf genannten Beiträge einprägsam die Bandbreite vor, in der die „neuen Gelehrten" mit den „alten
Herren" in Beziehung treten konnten. Was die Beziehungen Jakob Wimpfelings zum Feld der Macht anbetrifft
, so konzentriert sich der umfangreiche Beitrag von Markus Müller darauf, Wimpfeling ausschnitthaft
als einen gelehrten Publizisten vorzustellen, der über den von ihm zum Druck gegebenen und
mit einer „interpretatio docta" versehenen sowie dem Straßburger Bischof gewidmeten Bischofsspiegel
Einfluss zu nehmen suchte auf das große Thema der Kirchen- bzw. Klerusreform, dabei aber zugleich ein
sehr persönliches Anliegen verfolgte. Die Beiträge von Sabine Holtz und Theodor Verweyen setzen sich
von den eben skizzierten insofern ab, als sie das Verhältnis von humanistischer Kultur und gesellschaftlich
-politischem Kontext im 17. Jahrhundert, d.h. im so genannten Barockhumanismus, zum Thema
haben. Holtz betont die Aktualität der Bildungsideale Philipp Melanchthons auch unter den gewandelten
Verhältnissen im Württemberg des 17. Jahrhunderts („Melanchthons Bildungsideale hatten nichts von
ihrer Attraktivität verloren", auch wenn das humanistische Bildungskonzept mit den gestiegenen Ausbil-

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