Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 244
(PDF, 48 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0244
Russen jedoch ordnete Heinrich Himmler an, die Männer zu hängen und ihre deutschen Partnerinnen ins
Konzentrationslager zu stecken.

Auch was Unterkunft, Ernährung und Bekleidung anbelangte wurden Italiener und Angehörige osteuropäischer
Nationen denkbar schlecht bedacht. Sie liefen oft in Lumpen oder Kartoffelsäcken herum,
waren unterernährt und lebten in katastrophalen Behausungen. Oftmals kamen die Transporte aus den besetzten
Ostgebieten bereits mit toten sowjetischen Kriegsgefangenen in den Viehwaggons an, da auf der
langen Fahrt kaum eine Versorgung stattfand. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes vieler Deportierter
beschwerten sich dann auch die aufnehmenden Firmen - nicht aus Mitleid, versteht sich, sondern
weil diese Menschen kaum mehr in der Lage waren zu arbeiten. Man schickte sie deshalb häufig auf
Bauernhöfe, um sie dort wieder aufzupäppeln.

Während sich Zwangsarbeiter aus westlichen und nördlichen Ländern in der Stadt relativ frei bewegen
konnten, ergriffen die deutschen Behörden alle erdenklichen Maßnahmen um Angehörige aus osteuropäischen
Gebieten an einer möglichen Flucht zu hindern. Selbstverständlich war es ihnen auch verboten
, Luftschutzkeller bei Fliegeralarm aufzusuchen.

Bei Ostarbeitern kam es nicht selten vor, dass sie ausgesprochen entwürdigend behandelt oder wegen
geringster Verstöße geschlagen wurden. Vor allem, wenn sie den Anordnungen ihrer deutschen Vorarbeiter
nicht genügten oder beim Betteln erwischt wurden - ihre Tagesration betrug oftmals nur 200 Gramm
Brot und eine dünne Wassersuppe -, peitschte man sie gnadenlos aus.

Trotz des strikten Verbots, mit Ostarbeitern in Kontakt zu treten, versuchten dennoch manche Einheimische
diesen Menschen irgendwie zu helfen, steckten ihnen Lebensmittel zu oder suchten ihre Lebensverhältnisse
zu verbessern.

Ein besonders düsteres Kapitel bei der Behandlung von Ostarbeitern war ihre medizinische Versorgung
, oder was man damals darunter verstand. In erster Linie Kinder von Polinnen und Russinnen unterwarf
man einer rassenbiologischen Untersuchung. „Nichteindeutschungsfähige" verbrachte man in
Kinderheime, wo etwa 90 % nach kurzer Zeit verstorben waren. Um überhaupt Schwangerschaften und
Geburten zu verhindern, wurden viele junge Ostarbeiterinnen zwangssterilisiert oder ihre Föten abgetrieben
, was übrigens für Deutsche streng verboten blieb. Psychisch Kranke hatten kaum eine Überlebenschance
. Die meisten von ihnen starben in den Anstalten von Irsee und Hadamar.

Gegen Ende des Krieges, als kaum noch eine geregelte Arbeit in den Betrieben Freiburgs möglich war,
mussten Zwangsarbeiter Bunker bauen, Schützengräben ausheben oder Tote und Verletzte nach Luftangriffen
bergen. Als im April 1945 die Front näher rückte, verbrachten die deutschen Behörden zahlreiche
Zwangsarbeiter in Fußmärschen entweder in östliche Landesteile oder ins nahe gelegene Basel.

Nach der deutschen Kapitulation war es den französischen Besatzungsbehörden wichtig, die ehemaligen
Zwangsarbeiter, jetzt nannte man sie „Displaced Persons", so schnell wie möglich in ihre Heimatländer
zu transportieren. Hunderttausende sind dann auch bis Ende November 1945 repatriiert worden.
Es kam dabei häufig zu Reibereien zwischen französischen Behörden und sowjetischen Repatriierungskommandos
, weil beide versuchten so viele Arbeitskräfte wie möglich für sich zu gewinnen. Bis November
1947 war es den Franzosen gelungen, mit immerhin 5.528 ehemaligen Ostarbeitern in ihrer Besatzungszone
Arbeitsverträge abzuschließen und sie nach Frankreich zu bringen. Von den noch verbliebenen
etwa 20.000 hatten inzwischen die meisten eine Tätigkeit bei den Besatzungsbehörden oder in
deutschen Betrieben gefunden. Sie weigerten sich oft strikt, in ihre osteuropäische Heimat zurückzukehren
, weil sie dort für sich nichts Gutes erwarteten.

Es blieb nicht aus, dass nach der deutschen Niederlage gehäuft Übergriffe von „Displaced Persons" auf
Deutsche stattfanden. Diebstähle, Einbrüche, ja sogar Vergewaltigungen und Morde kamen vor. Die
Gründe hierfür dürften Rachegelühle. Not und eine verhängnisvolle Sozialisation dieser Menschen gewesen
sein.

Was hier nur stichpunktartig genannt wurde, haben die beiden Autoren in aller Ausführlichkeit mit vielen
Beispielen dargestellt. Es ist sicherlich kein geringes Verdienst, dass sie sich diesem fast vergessenen
oder verdrängten Kapitel unserer jüngsten Geschichte angenommen haben. Denn was hier in Freiburg geschah
, trug sich in ähnlicher Weise überall im deutschen Machtbereich zu. Detlef Vogel

Hans Georg Wehrens: Freiburg im Breisgau. Holzschnitte und Kupferstiche. Verlag Herder, Freiburg
u.a. 2004. 184 S., zahlr. SW-Abb. und 5 beigelegte großformatige Stadtansichten.

Einen reich illustrierten und graphisch aufwendig gestalteten Band zur Geschichte der Freiburger Stadt-

244


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0244