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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 30
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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Vogtei eidlich in seinen Einflussbereich zu bringen, was im Umkehrschluss eine Beschneidung
der klösterlichen Rechte zur Folge gehabt hätte.

Bei der Suche nach den Ursachen für die Abfassung des Weistums von 1416 ist also festzuhalten
, dass dieses aufgrund grundherrlicher Übergriffe des Vogtes in Bereiche des Klosters
aufgezeichnet wurde. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass dieses Weistum - im Gegensatz zum
Rodel von 1458 - auf die Initiative des Abtes zurückgeht.

Der „Große Dingrodel" von 1458

Im Gegensatz zum Weistum von 1416 wurde der „Große Dingrodel" nicht nach einem Streit
zwischen Abt und Vogt, sondern aufgrund einer Uneinigkeit zwischen Abt und seinen Eigenleuten
aufgezeichnet. Der Vogt, Markgraf Rudolf IV. von Hachberg, trat hier als Vermittler auf.
Aufgrund von Schulden und Finanznöten, mit der die Abtei spätestens nach einem erneuten
Klosterbrand 1437 zu kämpfen hatte, versuchte Abt Johannes von Küssenberg durch strengere
Einforderung von Abgaben und Steuern das Kloster finanziell zu konsolidieren. Da er dabei
jedoch nicht genug Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit seiner Hintersassen nahm, entstand
ein schwerer Konflikt zwischen diesen und dem Abt. Die Einleitung des Rodels nennt keine
genaueren Umstände als die Aussage, dass sich spenn und irrungen ... zwischen ... dem ehrwürdigen
herrn Johannsen derzeiten abbt... einß, wind der erbaren leittten so inn die vogtey
berüerts closters gehörende, andern thails gehalten ...36

Nach dem älteren Weistum von 1416 lautete eine Bestimmung, dass der Abt, falls es eine
Zwistigkeit mit einem Mann gäbe, seinen Vogt bitten solle, „dass er ihm in Gnaden helfe".37
Im Laufe der Zeit hatte die Verschriftlichung dieses Rechtes eine Verschiebung der Tatsachen
zur Folge; es wurde nunmehr so ausgelegt, dass ein Untertan, dem der Abt Gewalt antue, sich
an den Vogt wenden dürfe.38 Basierend auf dieser „Rechtsverdrehung" riefen die Bauern ihren
Vogt, Rudolf IV. von Hachberg, als Vermittler und Schlichter im Streit mit dem Abt an.

Es bleibt offen, inwieweit auch der Klosterbrand von 1437 den Abt dazu nötigte, ein neues
Weistum zu verfassen. Die Einführung zum „Großen Dingrodel" erwähnt, dass einige Bücher,
alte Register und Rodel untersucht wurden, nach dem die alten gesetzten dingrodel und versigelten
brief von fewarsbrunst mit sambt dem gotthauß in vergangner zeit, vergangen und
verborget seindt.3,9 Offenbar wurde ein großer Teil der alten Rechtsdokumente, darunter wohl
aber nicht der Dingrodel von 1416, zerstört. Es muss also die Frage gestellt werden, ob neben
dem Streit zwischen Abt und Bauern auch die Notwendigkeit der Abfassung eines neuen
Rechts den „Großen Dingrodel" erforderlich machte, um nach dem Brand aufklaffende Dokumentationslücken
schließen zu können. Zumindest jedoch kann man mutmaßen, dass sich die
Auseinandersetzung nicht beilegen ließ, ohne dass sich beide Parteien auf das gleiche, für die
Lösung der Streitigkeiten heranzuziehende Recht einigen konnten. Während sich die Bauern
auf ihr Gewohnheitsrecht bzw. auf ihre Erinnerung beriefen, hatte der Abt wohl die Absicht,
dieses Gewohnheitsrecht schriftlicht zu fixieren, um es zur Basis für die Klärung künftiger
Rechtsfälle zu machen. Es gilt also festzuhalten, dass der Abt zwar nach wie vor die Herrschaft
ausübte, aber zur Rechtsfindung auf die Bauern angewiesen war. Eine Einigung auf das gleiche
Recht impliziert somit eine Einflussnahme der Bauern. Diese stand ihnen freilich aufgrund
ihres Standes keinesfalls zu. Sie waren sozusagen lediglich das „Werkzeug."

1(1 Siehe die Transkription des „Großen Dingrodels" von St. Peter im Anhang, Einleitung, Z. 8ff. Spenn leitet sich
ab von dem mittelhochdeutschen Wort spenne - Zerwürfnis, irrung vom mittelhochdeutschen Wort irrunge =
Streit, Zwistigkeit. Vgl. Lexer (wie Anm. 34), S. 204 und 100.
Rösener (wie Anm. 27), S. 179.

™ Ebd.

39 Siehe die Transkription des „Großen Dingrodels" von St. Peter im Anhang, Einleitung, Z. 52ff. Verhörget leitet
sich ab von dem mittelhochdeutschen Wort verhogen bzw. verhügen = vergessen. Vgl. Lexer (wie Anm. 34).
S.271.

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