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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 31
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0031
Der Dingrodel von 1416 wurde bei dem Brand nicht vernichtet, denn er ist noch heute vorhanden
. Dies bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass das Weistum dem Abt Johannes von
Küssenburg auch wirklich geläufig war. Es ist allerdings nahe liegend, dass einem Abt Weis-
tümer als wichtige Rechtsquellen grundsätzlich bekannt waren. Unabhängig davon ändert sich
jedoch nichts an der Notwendigkeit, ein neues Recht zu verschriftlichen, wenn man berücksichtigt
, dass im „Großen Dingrodel" auch die in einzelnen Hof- und Dorfweistümern verstreuten
Bestimmungen zusammengefasst wurden.40

Ein großes Problem für die Bauern stellten die Abgabe des dritten Teils ihrer Güter beim Verkauf
, die so genannte Drittteilspflicht, sowie die Hofteilung an alle Söhne beim Tod des Vaters
dar. Beide Bestimmungen konnten sie an den Rand ihrer wirtschaftlichen Existenz bringen.
Aus diesem Grund wurde im „Großen Dingrodel" angeordnet, dass die Drittteilspflicht zugunsten
eines Erschatzes41 in Form einer Zinszahlung, die bei Verkauf o.ä. geleistet werden
musste, abzuschaffen sei.42 Bei der Vererbung wurde festgesetzt, dass die Höfe unteilbar seien43
und nach dem Tod des Bauern der Hof an den jüngsten Sohn vererbt werden sollte, also nach
dem so genannten Minorat verfahren wurde. Obwohl der Passus des Minorats im Dingrodel
nicht zu Sprache kommt, wurde es sehr bald Gewohnheitsrecht.44 Außerdem wurde festgelegt,
dass das bisherige „ungünstige Leiherecht"45 auf dem Seidgut ebenfalls in das Erbrecht umgewandelt
wurde, d. h. dass die Güter künftig vererbt werden konnten.46

Daher kann festgehalten werden, dass der Streit zwischen den Hintersassen und dem Abt
hauptsächlich von wirtschaftlicher Natur war: Die Bauern empfanden die Abgaben an das
Kloster als existenzbedrohend und suchten mit der Anrufung des Vogtes und der letztendlichen
Verfassung des „Großen Dingrodels" eine Regelung zur Sicherstellung ihres wirtschaftlichen
Überlebens zu erreichen.

Zur technischen Verfahrensweise der Abfassung des „Großen Dingrodels"
zwischen Gedächtniskultur und Schriftlichkeit

Wie oben bereits erwähnt, war es der Abt, der auf Vermittlung des Vogtes Rudolf IV. von Hach-
berg nach dem Klosterbrand von 1437 den neuen „Großen Dingrodel" erstellen ließ. Er hatte
sich hierbei auf die Zeugnisse seiner Hintersassen zu verlassen, die aussagen mussten, welche
Rechte die Parteien vor der Abfassung besessen hatten.

Bei der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Gedächtniskultur
muss vorangestellt werden, dass auch im ausgehenden Mittelalter die wenigsten
Bauern lesen und schreiben konnten; es besteht also „das Kardinalproblem der illiteraten Überlieferung
von Rechtswissen".47 Wie viele andere Weistümer wurde auch der „Große Dingrodel
" von erbaren personen4* gewiesen, d. h. mündlich tradierte Rechte aus der Erinnerung

40 Rösener (wie Anm. 27), S. 181.

41 Ein Erschatz bzw. Laudemium bezeichnet eine Abgabe, die bei Besitzerwechsel (Erbe, Verkauf, etc.) bäuerlicher
Leihegüter an den Obereigentümer gezahlt werden musste. Vgl. Dieter Hägermann: Laudemium. In: Lexikon
des Mittelalters. Bd. 5. Stuttgart/Weimar 2000 (CD-ROM-Ausgabe), Sp. 1753; Lexer (wie Anm. 34), S. 48
(Stichwort er-schaz).

42 Der „Große Dingrodel" von St. Peter in: Weisthümer (wie Anm. 19), S. 347, Ziffer 6.

43 ... das die gutter ... nit zergengt /= geteüt] werden, ebd., S. 348, Ziffer 10.

44 Gothein (wie Anm. 32), S. 297.

45 Rösener (wie Anm. 27), hier S. 181.
Ebd.. S. 180.

47 Michael Prosser: Spätmittelalterliche ländliche Rechtsaufzeichnungen am Oberrhein zwischen Gedächtniskultur
und Schriftlichkeit. Untersuchungen am Übergang von analphabetischen zu skriptualen Überlieferungsformen
im Blickfeld rechtlicher Volkskunde (Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte/Bayerisches
Nationalmuseum 47). Würzburg 1991, S. 49.

48 Siehe die Transkription des „Großen Dingrodels" von St. Peter im Anhang, Einleitung, Z. 56.

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