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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 34
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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fügte. An diesem Beispiel zeigt sich eine zunehmend profundere Rechtsausübung bzw. eine immer
stärker wachsende Professionalisierung.71 Es mag allerdings zu weit greifen, diese Tatsache
als Vorläufer der Einführung der Rezeption des Römischen Rechts, wie es sich 1495 mit
der Institution des Reichskammergerichts manifestierte, aufzufassen.

Darüber hinaus half die Erwähnung Antons von Pforr im „Großen Dingrodel" der Forschung
das Weistum zeitlich neu einzuordnen. Während eine Datierung bei einem Dingrodel in der
Regel „unwichtig"72 war, ergaben Nachforschungen über Anton von Pforr, dass der „Große
Dingrodel" „aller Wahrscheinlichkeit nicht vor 1458 entstanden sein dürfte."73 Hierfür spricht
auch der Umstand, dass Rudolf IV. von Hachberg als graffzu Newenburg angesprochen wird,
er aber als Besitzer der Grafschaft Neuchätel nicht vor 1458 in Erscheinung tritt.74 Insofern ist
das allgemein angenommene Entstehungsjahr 1456 zu korrigieren.

Schlussbemerkung

Wie die Auseinandersetzungen zwischen Abt und Kastvogt zeigen, ermöglichte die Rezitation
der gewohnten Rechte mit Hilfe von älteren Aufzeichnungen dem Abt neben der Festhaltung
seiner Rechte auch eine Abgrenzung zu seinem weltlichen Widerpart, der seinen Einflussbereich
nicht selten auf Kosten der Abtei zu vergrößern versuchte. Dies zeigt das Weistum von
1416. Mit Hilfe des Dingrodels von 1458 bedient sich auf der anderen Seite der Abt der Möglichkeit
, seine Machtposition gegenüber seinen Hintersassen deutlich zu machen und sich so
von ihnen abzugrenzen.

Der „Große Dingrodel" von St. Peter ist sowohl für die Geschichtswissenschaft als auch für
die historische und rechtliche Volkskunde eine wichtige Quelle, um Aufschlüsse über die Lebensweise
der ländlichen Bevölkerung im ausgehenden Mittelalter zu erhalten. Zum einen lassen
sich Aussagen über das Verhältnis zwischen Klosterherrschaft und bäuerlicher Genossenschaft
treffen, zum anderen über Gedächtniskultur und Schriftlichkeit. Verfolgt man Forschungsinteressen
, die über die Ortsgeschichte St. Peters hinausgehen, ist neben dem Inhalt des
Rodels - wie ihn Jacob Grimm ediert hat - ebenso die Einleitung und der Schluss von elementarer
Bedeutung. Die Erwähnungen des Dekans Anton von Pforr sowie sämtlicher Titel
Rudolfs IV. von Hachberg in der Einleitung unterstreichen zusätzlich die Relevanz dieser Textpassagen
, ergeben sie doch eine zwei Jahre spätere Datierung.

Die bei der Erstellung des Dingrodels angewendeten Mittel der Gedächtniskultur und der
Schriftlichkeit stellen den Dingrodel im volkskundlichen Sinn auch in den Bereich des „kulturellen
Gedächtnisses".75 Die Erstellung von Weistümern auf Grundlage der mündlich tradierten
Rechte bezeugten die Abgrenzung der oralen Gesellschaft des Mittelalters von der schriftlichen
der Neuzeit. Allgemein bilden Weistümer somit den „Übergang zwischen mündlicher
Rezitation und den in der Schrift aufgehobenen, das menschliche Gedächtnis als Berufungsinstanz
ersetzenden Schrifttexten."76 Der Dingrodel kann als „Paradebeispiel" dafür dienen, wie
sich „Recht entwickelte": Vom mündlichen, jährlich wiederholten Ritual des Weisens bis zum
Abfassen von Gewohnheitsrechten in Schriftform. Die späteren, schriftlichen „Policeyordnun-
gen" und Gesetze basieren auf diesem Rodel; daher galten die Rechte des „Großen Dingrodels"
von 1458 bis zur Säkularisierung des Klosters 1806.77

71 Prosser (wie Anm. 47), S. 192.
" Ebd., S. 47.

73 Bärmann/Prosser (wie Anm. 2), S. 44.

74 Ebd., S. 35, dort Anm. 6.

75 Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Kultur und Gedächtnis. Hg. von Jan Assmann
und Tonio Hölscher (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 724). Frankfurt 1988, S. 9-19, hier S. 9f.

76 Prosser (wie Anm. 47), S. 190.

77 Weber (wie Anm. 2), S. 190f.

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