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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 85
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wurde auch in Kenzingen Hanf nicht in der regulären Feldflur angebaut, wo der Flurzwang der
Dreifelderwirtschaft galt, die für alle verbindliche, jährlich zeigen- bzw. gewannweise wechselnde
Nutzung des Ackerlandes in festgelegter Fruchtfolge von Sommergetreide, Wintergetreide
und beweideter Brache. Vielmehr betrieb man den Hanf- ebenso wie den Weinbau auf
besonderen, aus der allgemeinen Feldflur ausgeschiedenen Teilen. Diese wurden als Gartenland
(Weingarten!), Bündten, Beunden und Bifänge sowie in Kenzinger Nachlassinventaren oft
als Länder und Gärten bezeichnet.50

Die vielfältige Nutzung und Verwendung von Hanf in der frühen Neuzeit

Ursprünglich wohl in Zentralasien, nach anderer Auffassung in Persien beheimatet, wurde Hanf
bereits in vorgeschichtlicher Zeit auch im Gebiet des heutigen Deutschland kultiviert. Ausgrabungen
jungsteinzeitlicher Siedlungsplätze in der thüringischen Stadt Eisenberg förderten 1925
die bisher ältesten Hanffunde in Deutschland zutage, Hanfsamen, der ausweislich der zugehörigen
Keramikfunde in die Epoche der bandkeramischen Kultur (4.500-3.300 v. Chr.) zu
datieren ist.51 In der frühen Neuzeit lieferte die vielseitige Nutzpflanze Hanf eine ganze Palette
von Produkten. Als Faserlieferant war sie schlichtweg unentbehrlich: Aus Hanf gesponnen
waren das Garn für das Weben hänfener Leinwand; deren feinere Qualität, das Hanflinnen,
wurde für Kleidung, Bett- und Tischwäsche verwendet, die gröberen Fabrikate dienten vor allem
als Pack- und Zelttuch, für Planen sowie für die Herstellung von Segeln. Aus Hanfgarn geknüpft
waren die Netze für den Fisch- und den Vogelfang und aus Hanf bestanden der Heftfaden
der Buchbinder sowie der Zwirn der Schuhmacher und Sattler. Aus Hanffasern fertigte
man Zündschnüre und Lunten. Die Seiler (Abb. 2) schlugen aus ihnen auf der Seiler- oder Reeperbahn
Schnüre, Stricke, Seile, Taue für die verschiedensten zivilen wie militärischen Zwecke,
von Zug- und Ackerseilen über Tauwerk für die Schifffahrt bis hin zum Glockenseil und zum
Henkersstrick, wie ja auch das eingangs zitierte Sprichwort aussagt. Werg, die kurzen und feinen
Hanffasern, die beim Hecheln abfielen, diente als Dichtungsmaterial beim Schiffbau und
für die auch in Kenzingen verlegten, hölzernen Deichelleitungen zur Wasserversorgung. Hadern
, also Lumpen aus Leinen- und Hanfgeweben sowie ausgediente Hanfseile, in der Papiermühle
fein zermahlen und mit Wasser zu einem Brei angesetzt, bildeten den Rohstoff zur
Papierherstellung, bei der der Papierer (Abb. 3) aus der Bütte mit dem Papierbrei mit seinem
holzgerahmten, rechteckigen, feinmaschigen Sieb aus Kupferdraht von Hand einzeln die Papierbögen
schöpfte (Büttenpapier).

Die Samenkörner des Hanfs verfütterte man nicht nur an die Hühner, die dadurch mehr Eier
legen sollten, sondern servierte sie, geröstet oder in Zucker gesotten, selbst auf der adligen Tafel
. Zerstoßen und mit Milch oder Wasser gekocht, ergaben sie in der Küche der ärmeren Leute
eine nahrhafte Suppe.52 Auch wurde Hanf vor dem Erlass von Reinheitsgeboten für Bier statt
oder zusammen mit Hopfen als Würz- und Konservierungsmittel bei der Bierbrauerei verwen-

burg/München 1991, S. 34ff. Der Text des Capitulare de villis im Internet unter: www.fh-augsburg.de/~harsch/
Chronologia/Lspost08/CarolusMagnus/kar_vill.html, Stichwort „Hanf (canava)" in Cap. XLII. Vgl. Dieter
Beckmann: Der Garten Karls des Großen. In: Spiegel der Forschung 18, 2001, H. 2, S. 50-58, hier S. 51f. und
56f.

50 Rösener (wie Anm. 46), S. 141 ff.; Bader (wie Anm. 46), S. 98ff. und öfter (vgl. dort Register, Stichwort
„Hanf); Ders. (wie Anm. 46), hier: 1. Teil. Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbereich. Weimar
1957, S. 40f.; Abel (wie Anm. 15), S. 90. Für Länder und Gürten in Kenzingen vgl. z. B. StadtAF, LI Kenzingen
A, V 50 (1667, 5. Oktober) Nachlassinventar von Maria Witzig, Ehefrau von Michel Mayer, Färber; ebd., V
210 (1730, 7. März) Nachlassinventar von Maria Eva Kuntzer, Witwe von Claude Udry.

51 Zur Herkunft siehe die französische Version von Wikipedia, Artikel „Historie du Chanvre" (01.10.2006). Die dortige
Altersangabe (5.500 v. Chr.) für den Eisenberger Hanffund ist allerdings unkorrekt, vgl. www.stadt-eisen-
berg.de/archiv/archivhome.html, Link Stadtgeschichte, Link Besiedelungsgeschichte (01.10.2006).

52 Krünitz (wie Anm. 7), hier S. 828; Zedler (wie Anm. 22), Sp. 462f. Ein Rezept für Hanfsuppe auch in: Grimm
(wie Anm. 22), Bd. 10, Sp. 435.

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