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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 88
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derem bei der Erledigung seines Auftrags zur Wiederherstellung des oberen Torturms benötigte
, denn Bestandteil seines Werkvertrags war neben den Maurerarbeiten auch, die zum
Schutz vor Beschädigungen durch die eisernen Radreifen und die herausstehenden Radnaben
bzw. Achsen großer Frachtfuhrwerke an der Tordurchfahrt angebrachten Sandsteinpoller mit
Ölfarbe zu streichen.57 Offenbar gehörte damals eine Öltrotte ganz allgemein zu den Produktionsmitteln
eines Maurers, denn eine solche ist auch im Nachlass des 1669 verstorbenen Ken-
zinger Bürgers und Zünftigen Maurermeisters Hans Caspar Bürgin verzeichnet, dazu noch eine
große kupferne Ölpfanne sowie ein neues und drei gebrauchte Oltücher, die zum Filtrieren des
Hanföls dienten. Den Hanf, aus dessen Samen er sein Öl presste, baute Bürgin offensichtlich
selbst an, denn in seinem Nachlassinventar sind auch drei Vierling (ca. 27 ar) Hanfland aufgeführt
, gelegen in der Kenzinger Flur vor dem Edelthall.5* Nebenbei zeigt sich auch an diesem
Handwerker angesichts seines außerdem hinterlassenen Besitzes an Äckern, Matten, Gärten,
Reben und Wald, wie sehr die oben zitierte Äußerung von Amtmann Bauer von Ehrenfeld auch
schon auf die Kenzinger Wirtschaftsstrukturen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zutrifft
. Die bei der Gewinnung von Hanföl anfallenden Rückstände, der Press- oder Ölkuchen,
war übrigens kein Abfall, sondern wurde unter anderem als gehaltvolles Viehfutter für Milchkühe
verwendet.

Auch wurde Hanf, vor allem die Emulsion aus zerstoßenen Samenkörnern sowie das aus diesen
gewonnene Öl, in vielerlei Zubereitungen zur medizinischen Prophylaxe und Therapie
unterschiedlichster Krankheiten und Gebrechen angewendet. In Zedlers Artikel „Hanff" im
„Universal-Lexicon" wird eine Emulsion aus den zerstoßenen Samen, vermischt mit Rosen-,
Holunder- oder Eisenhart (Eisenkraut, verbena officinalis)-Wasser, auf ein Tuch geträufelt und
um Stirn und Schläfe gebunden, gegen Kopfschmerzen und als Schlafmittel empfohlen. Außerdem
bringe eine solche Emulsion, auf die betroffenen Stellen eingerieben, Masern- und
Pockenflecken zum Verschwinden. Der tägliche Verzehr von drei oder vier Hanl"körnern auf
nüchternen Magen galt als gutes Vorbeugemittel gegen die Pest. Die aus zerriebenen Hanfsamen
gewonnene Emulsion wirke fiebersenkend, hustenstillend und schmerzlindernd. Hanföl
helfe bei der Aufweichung von harten Geschwülsten, bei der Heilung von Pockennarben und
bei eitrigen Ohrentzündungen; gegen diese benutze man auch den aus den Blättern ausgepress-
ten und erwärmten Pflanzensaft. Eine aus Hanfsamen und zerriebener Hanfwurzel bereitete
Salbe lindere Gichtschmerzen und zerstoßener Hanfsamen, vermischt mit Wein eingenommen,
„eröffnet die verstopffte Leber." Außerdem setzte man medizinisch aufbereiteten Hanf gegen
Gelbsucht, Tripper (Gonorrhöe), kalten Wundbrand, Brandverletzungen, Wurmbefall und Au-
genfluss ein. Laut Krünitz' „Oeconomischer Encyclopädie" wurden „auf Verordnung der
Aerzte die Hanfkörner von den Apothekern mit Wasser abgerieben und solchergestalt
Milchtränke (Emulsionen) daraus verfertigt, welche den Schwangern sehr zuträglich sind und
die unzeitige Geburt verhindern". Die therapeutische Verwendung von Hanf war jedoch keineswegs
auf den Menschen begrenzt, sondern erstreckte sich auch auf die Tiermedizin: Mit den
stark riechenden Blättern des Hanfs rieb man im Sommer die Pferde und Zugochsen gründlich
ein, um sie vor Mücken- und Bremsenstichen zu schützen, und mischte zerstoßene Hanfblätter
ihrem Futter bei, wenn sie unter Durchfall litten.59

57 Hellwig (wie Anm. 38), S. 108 und 124, dort Anm. 123.

58 StadtAF, LI Kenzingen A, V 52 (1669, 9. September). Vierling als Flächenmaß: wohl gleichzusetzen mit Viertel
(eines Jucharts); 1 Viertel = 902 m3, vgl. Ursula Huggle/Norbert Ohler: Maße, Gewichte und Münzen. Historische
Angaben zum Breisgau und zu den angrenzenden Gebieten (Themen der Landeskunde 9). Bühl in Baden
1998, S. 24f. und 21 (Juchart). Flur Edelthall (eigentlich „ödes Tal", durch die Rebumlegung in der Flur
Hummelberg aufgegangen): Dorothea Wenninger: Flur- und Straßennamen. In: Kenzingen, Bd. 2 (wie Anm.
43), S. 359-374, hier S. 360f.

59 Zur medizinischen Verwendung: Marcandier (wie Anm. 3), S. 383-386, dort auch zum medizinischen Einsatz
von Hanf beim Vieh; Zedler (wie Anm. 22), Sp. 461 ff., das Zitat Sp. 461; Krünitz (wie Anm. 7), S. 829.

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