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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 94
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in die Erde, sondern der geraufte Hanf wird in Büssen [Bündeln] gebunden, Schober= (Schöber=)weise
gezählt und in Häufchen (Böcke) zusammen gestellet oder gelehnet, so daß die Knospen oder Samen in
die Höhe kommen (welches die Landwirthe stauchen nennen,) und mit Stroh bedeckt; und also bleibt er
10, 12, bis 14 Tage und länger stehen, damit sowohl die Körner recht abdorren als auch der Bast zur
Genüge welke. Wenn nun die Körner wohl gedörret sind, werden die Haufen in Strohseile gebunden und
endlich vom Acker eingeführt."91

Der erste Arbeitsschritt zur Fasergewinnung: das Rotzen des Hanfs

In Frankreich unterzog man die Hanfstengel nach Darstellung der „Encyclopedie" meist gleich
nach dem Ausraufen und dem Ausdreschen der Samenkörner der so genannten Röste oder
Rötze.92 In Deutschland dagegen wurde zur Zeit von Zedlers „Universal-Lexicon" der auf dem
Feld getrocknete Hanf zunächst in die Scheunen gebracht, dort der Samen der weiblichen
Pflanzen ausgedroschen, die Hanfstängel den Winter über luftig gelagert und erst im folgenden
Frühjahr, „zu der Zeit, wenn die Weiden austreiben", der Röste ausgesetzt.93 Allerdings
sprechen rund hundert Jahre später die erwähnten Untersuchungen und Anleitungen zum Hanfbau
in Baden davon, dass der Hanf gleich nach der Ernte zur Röste gebracht wurde.94 Unter
den vielfältigen Arbeitsgängen zur Gewinnung der Hanffasern war das Rösten „eine äusserst
heikle Arbeit und von großem Einfluss auf die Ergiebigkeit, die Qualität und das Aussehen -
Farbe und Glanz - der Faser."95 Das Wort rösten oder rötzen im Zusammenhang mit Hanf und
Lein - mit letzterem wurde auf die gleiche Weise verfahren - hat mit dem Rösten mittels Hitze
nichts zu tun, sondern geht auf mittelhochdeutsch rccjcn, rdjcn, rojjen für welk, bleich, faul werden
, faulen machen zurück; rccjc bezeichnet die Hanf- und Leinröste.96 Der die Fasern enthaltende
Rindenbast des Hanfstängels, der selbst wiederum von einer äußeren Haut, der Epidermis
umgeben ist, umschließt den im Lauf des Wachstums verholzenden Kern des kantigen
Stängels. Zur Gewinnung dieses Faserbasts setzte man die Hanfstängel einem kontrollierten
Fäulnisprozess aus, der Röste oder Rötze. Dabei zersetzten die auflösende Wirkung des Wassers
sowie Mikroorganismen, Bakterien und Pilze und die von ihnen produzierten Enzyme das
die einzelnen Schichten des Stängels verbindende Harz oder das „Gummi", wie es von manchen
Autoren genannt wird, und versprödeten den innenliegenden Holzkern soweit, dass das
Fasermaterial später von den harten Teilen des Stängels getrennt werden konnte. Zugleich wurden
dadurch die im Bast eingebetteten Fasern weicher und feiner.97

Zwei Verfahren, die verschiedentlich miteinander kombiniert wurden, standen hierfür zur
Auswahl, die Wasserröste und die Rasen-, Tau- oder Luftröste. Bei letzterer wurde folgendermaßen
verfahren:

„So bald der Hanf geraufet und in kleine, armsdicke Büschel zusammen gebunden ist, muß das unterste
Ende von demselben 7 bis 8 Zoll über den ersten Wurzeln, und oben alles was ästig ist, abgeschnitten werden
. Alsdenn leget man die Büschel Hanf in der Abenddämmerung und die Nacht hindurch auf eine ab-
gemähete Wiese. Des Morgens, ehe noch die Sonne darauf scheint, trägt man dieselben auf einen Haufen
zusammen und bedeckt diesen mit nassem Stroh oder mit Aesten von Bäumen, die noch ihre Blätter
haben; wiewohl das Stroh dazu besser ist. Den Tag über gährt der von dem Thaue durchweichte Hanf nach

91 Krünitz (wie Anm. 7), S. 782f. Teilweise in wörtlicher Übersetzung aus der Encyclopedie (wie Anm. 8), S. 149,
übernommen.

92 Encyclopedie (wie Anm. 8), S. 148.

93 Zedler (wie Anm. 22), Sp. 461.

94 Vogelmann (wie Anm. 31), S. 34; Dosch (wie Anm. I), S. 47; Der Hanfbau (wie Anm. 31), S. 8; Lobe (wie
Anm. 31), S. 54.

95 Roth (wie Anm. 33), S. 15.

96 Lexer (wie Anm. 80), S. 172. Auch das von der Encyclopedie (wie Anm. 8) gebrauchte Wort rouir bedeutet rotten
, rösten im Zusammenhang mit Flachs und Hanf.

97 Krünitz (wie Anm. 7), S. 285f.; Encyclopedie (wie Anm. 8), S. 148f.; Marcandier (wie Anm. 3), S. 593ff.;
Sabine Katzenbach-Anton: Cannabis sativa. Ein anspruchsloses Kraut für anspruchsvolle Kleidung (mit Literaturangaben
), S. 53f.; im Internet: www.hemptown.com/sites/hemptown/files/TVPMarch04.pdf

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