Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 179
(PDF, 44 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0179
Jahre für Darmstadt entworfene katholische Kirche als Vorbild wählte. Schlippe verehrte nämlich
den Darmstädter Baumeister, mit dessen Lebenswerk er sich intensiv auseinandergesetzt
hatte, ebenso wie dessen Lehrer, den Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner. Auch bei
Weinbrenner machte er Anleihen, wobei er entgegen Hitlers Vorgaben einen als eckig vorgesehenen
Platz zum Rundplatz mit haushohen Arkaden nach dem klassizistischen Vorbild des
badischen Hofarchitekten umfunktionierte.48 Sein Rathaus folgte dem von Paul Maurer entworfenen
Renaissancebau des Karlsruher Schlosses Gottesaue, dessen vier runde, mit Glockendächern
ausgestattete Ecktürme er in seinen Entwurf übernahm.49 Dieser Bau lag Schlippe besonders
am Herzen und so verwundert es nicht, dass er ihn an ebenso exponierter wie malerischer
Stelle zwischen zwei Wasserarmen positionierte (Abb. 5). Daneben machte er auch
Anleihen bei der neuesten Architektur, indem er für seinen Museumsentwurf das in neoklassizistischem
Stil von Hack Kampmann entworfene, 1924 fertig gestellte Kopenhagener Polizeigebäude
zitierte und nach diesem Vorbild einen runden Arkaden-Innenhof ausarbeitete.50

Entgegen Speers Vorgabe, die am Wettbewerb beteiligten Architekten sollten ordentlich
hochgeschossig planen,51 gab es für Schlippe nur ein Kriterium, nach dem sich alle anderen
Bauten zu richten hatten: Der Münsterturm duldet keinen Nebenbuhler, er muß das Wahrzeichen
der Stadt bleiben.52 Da das Volumen der einzelnen Funktionsgebäude genau festgesetzt
war, kam jedoch auch er nicht umhin, diese in die Höhe zu planen. Daneben finden sich auch
in Schlippes Entwurf natürlich Elemente, die nur allzu deutlich als Zugeständnisse an den aktuellen
Zeitgeist zu interpretieren sind. So übertrug er die Ausstattung seiner Gebäude durch
reichen plastischen Schmuck dem von ihm hochgeschätzten Bildhauer Nikolaus Röslmeir, der
in Freiburg seit Jahren damit beschäftigt war, einen Spielplatz mit Skulpturen auszustatten, deren
Motive dem Leben des Jungvolks des III. Reichs entnommen waren.53 Zum Straßburger
„Gebäudeschmuck" gehörte selbstverständlich ein überdimensioniertes Hoheitszeichen, bestehend
aus einem Reichsadler, der einen Eichenkranz mit Hakenkreuz in seinen Klauen hält.54
Für die Schauseite der „Gauhalle" war, wie bei solchen Bauten üblich, ein „Führerbalkon" (hier
wohl „Reichsstatthalterbalkon") geplant, oberhalb dessen sich ein gigantisches Relief erstrecken
sollte. Hierfür waren nackte, muskulöse Jünglingsgestalten in antikisierender Ausführung
vorgesehen (Abb. 6).55 Auch mit seiner Materialwahl passte sich Schlippe durchaus
dem nationalsozialistischen Geschmack an: Diverse Gebäude wie die „Gau-" oder die „Kriegerehrenhalle
", aber auch das Museum und das Opernhaus plante er als Werksteinbauten im
warmen gelbgrauen Vogesensandstein, ansonsten sollte der altherkömmliche Putzbau mit

48 Voigt (wie Anm. 4), S. 86.

44 Schlippe führte die Pläne und Modelle des Entwurfs seinem früheren Lehrer Wilhelm Pinder vor, der auf die
Architekturzitate folgendes Poem kreierte: Wir ruhen sanft in Gottestm Hand / und brennen unsern Wein. / Moll
ist in Deutschland unbekannt / doch Moller darf es sein. / Anmut hat hier und Maßes Stab, / was sonst oft aufgebläht
. /Dass Schlippe keine Schlappe hab', / ist täglich mein Gebet. Das Gedicht hat Schlippe selbst mit der
angegebenen Streichung versehen und zitiert in: Schlippe an Hans Freese. 11.3.1945 (Abschrift), StadtAF. Kl/44
Nr. 78.

*> Vgl. Gustav Wolf an Schlippe, 14.2.1943, StadtAF, Kl/44 Nr. 303: Voigt (wie Anm. 4), S. 87.
S| Mit Blick auf seine Konkurrenten stellte Schlippe verbittert fest: ... und Möhrle usw. haben sich das nicht zweimal
sagen lassen. Schlippe an Karl Gruber, 14.1.1944 (Abschrift), StadtAF. Kl/44 Nr. 516.

52 Schlippe (wie Anm. 43).

53 Ebd. (l. Zitat); Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen für bildhauerischen Schmuck der Stadt Freiburg
im Breisgau, 15.3.1936 (2. Zitat); vgl. Gartenamt an OB Abt. III und IV, 30.11.1937. StadtAF, D. Ga. 25/3. Nach
Kriegsende arbeitete Röslmeir zwei der bereits vollendeten Figuren zu „Pfadfindern" um, zu einem „Kartenleser
" und zu einem „Ranzenträger". Sie befinden sich heute im Besitz des Augustinermuseums Freiburg. Vgl.
Ute Stipanits: Der Bildhauer Nikolaus Röslmeir und sein Hauptwerk, der Freiburger Bertoldsbrunnen. Mit
Werkverzeichnis. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Freiburg o. J., S. 7 und Anm. 12; Peter Kalchthaler: Nicht
nur der Bertoldsbrunnen. Nikolaus Röslmeier. In: Freiburger Almanach 39, 1988, S. 119-124, besonders S. 121.

* Schlippe an Nikolaus Röslmeir, 14.1.1942 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 521.

55 Auch beim etwa zeitgleichen Umbau des Posener Schlosses zur „Führerresidenz" spielte die Gestaltung des
„Führerbalkons" eine entscheidende Rolle. Vgl. Schwenden!ann/Dietsche (wie Anm. 2), S. 109 und 117ff.

179


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0179