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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 194
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stellte, verfehlte die auf Platz 4 der Liste nominierte Kindergärtnerin Anna-Luise Diedrich
knapp den Einzug in das Stadtparlament. Gerda Schlayer und Hildegard Teutsch saßen auch
im (süd)badischen Landtag.

Diese um 1900 geborenen, berufstätigen Frauen hatten ihre politische Sozialisation während
der Weimarer Republik erfahren. Während sie an frühere Erfahrungen anknüpfen konnten,
waren die von der nationalsozialistischen Ideologie geprägten Frauen zunächst eher orientierungslos
und verunsichert. Es waren auch die älteren Jahrgänge, die eine höhere Wahlbeteiligung
verzeichneten. Neben einem größeren politischen Desinteresse hielten allerdings auch die
Mutterpflichten jüngere Frauen von der Übernahme eines Mandats ab.

Dem 1948 gewählten 24-köpfigen Stadtrat gehörten dann sogar nur noch zwei Frauen an:
die erwähnte Ernestine Zeiser und die Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt Emma Seeh
(SPD). Das entsprach einem Frauenanteil von 8,3 %. Für kurze Zeit verstärkte die Kommunistin
Käthe Seifried die Frauenriege.17 Ursachen für den geringen Frauenanteil waren einerseits
die bereits genannten Faktoren der Politikverdrossenheit und des Zeitmangels infolge der
Mehrfachbelastungen der Frauen. Auf der anderen Seite stand die konservative Haltung der
deutschen Parteifunktionäre und der französischen Besatzungsbehörden. Angesichts der Tatsache
, dass in Frankreich erst 1944 das Frauenwahlrecht eingeführt worden war, überrascht es
wenig, dass in den Beirat keine einzige Frau berufen wurde.

Da in der Notsituation der Nachkriegszeit Politik in erster Linie Sozialpolitik war und sie als
die weibliche Domäne gilt, bot sich den Stadträtinnen ein reiches Betätigungsfeld. In den mit
Wohlfahrts-, Wohnungs-, Gesundheits- und Schulfragen betrauten Gremien waren die „Stadtmütter
" überproportional vertreten. Im Finanzausschuss dagegen blieben die Männer anfangs
unter sich. Obwohl Frauen dazu neigten, sich in Debatten eher zurückhaltend zu verhalten, meldeten
sich die Abgeordneten Schlayer und Teutsch in den Stadtratssitzungen vergleichsweise
häufig zu Wort. Besonders letztere, die als ehemalige Lehrerin das Reden vor Publikum gewohnt
war, trat selbstbewusst auf und äußerte sich nicht nur zu sozialpolitischen Themen, sondern
auch zu Tagesordnungspunkten wie Sabotage oder Bodenpolitik. Wie sehr man dem traditionellen
Rollenverständnis verhaftet war, zeigt der folgende Kommentar zur Nominierung
der CDU-Stadträtin May Bellinghausen 1953: So ein Mann wie die Frau Bellinghausen gehört
in den Stadtrat.1* Die Rektorin der Haslacher Mädchenschule erzielte bei der Wahl 1957 den
höchsten Stimmenanteil.

Analog zur Einführung des Frauenwahlrechts im Jahr 1918 umwarben auch jetzt wieder alle
Parteien Frauen mit speziellen Anzeigen und separaten Frauenversammlungen, um die Mehrheit
der Wählerschaft für sich zu gewinnen. Die christlich-konservative BCSV profitierte am
stärksten von den Frauenstimmen.

Ehefrau und Mutter - Die Rolle der Frau in der Familie

Frauen mussten nicht nur die materielle Existenz der Familie sichern, sondern waren durch Tod
oder Kriegsgefangenschaft der Männer auch zum Familienoberhaupt geworden. Die Rückkunft
der Kriegsheimkehrer führte oft zu innerfamiliären Konflikten. Die Männer, die durch Niederlage
und Internierung gezeichnet waren, trafen auf selbstständige, unabhängige Frauen, die
nach ihrer Bewährung nicht mehr einfach bereit waren, sich unterzuordnen. Die Kinder empfanden
vielfach den Vater als Fremden. Zahlreiche Ehen, vor allem solche, die während des
Krieges überstürzt geschlossen worden waren, hielten den Belastungen und Entbehrungen
nicht stand. Die Scheidungsrate stieg rapide an. Da viele Kriegerwitwen ihre Rente nicht verlieren
wollten bzw. aufgrund ihrer als vermisst geltenden Ehemänner nicht wieder heiraten

17 Käthe Seifried (KPD) rückte für den am 25. Dezember 1949 verstorbenen Parteigenossen Alfred Müller nach.
Bereits im Herbst 1950 trat sie wieder zurück.

18 Badische Zeitung vom 27. November 1957.

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