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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 195
(PDF, 44 MB)
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durften, lebten sie ohne Trauschein mit ihren neuen Partnern in der so genannten Onkelehe zusammen
. Angesichts der unvollständigen Familien, die als „zerrüttete Familien" galten, sowie
der wachsenden Zahl „freier" Verhältnisse und unehelicher Kinder wurde in der öffentlichen
Diskussion eine „Krise" der Familie konstatiert. Diese Auflösungstendenzen erwiesen sich jedoch
nur als Übergangsphänomen. Mit der Normalisierung der Verhältnisse um 1950 kam es
auch zu einer Wiederherstellung der traditionellen Geschlechterrollen. Umfragen und Studien
- am bekanntesten ist die des Soziologen Helmut Schelsky - zeigen allerdings, dass sich die
„Kameradschaftsehe" allmählich durchsetzte, in der beide Partner grundsätzlich gleichrangig
waren. Partnerschaft bedeutete meist jedoch nicht, dass Männer und Frauen gleiche Lebensentwürfe
teilten oder gleiche Entscheidungs- und Dispositionsbefugnisse besaßen. Während
der Mann (wieder) für den Unterhalt der Familie sorgte, kümmerte sich die Frau um Haushalt
und Kindererziehung. Nach dem entbehrungsreichen und kräftezehrenden Überlebenskampf in
der Nachkriegszeit, der von den Frauen nicht als positive Emanzipationserfahrung empfunden
wurde, sehnten sich viele Frauen nach dem häuslichen Herd. Ich war so froh, dass mein Mann
zurück war, mit den vier Kindern und so. Und dass ich endlich mal wieder in Ruhe eine Mahlzeit
kochen konnte, berichtete eine Zeitzeugin.19 Die Institution Familie erfuhr als „Fluchtburg
", als das letzte stabile Gebilde der Gesellschaft, eine enorme Aufwertung. Das von Franz
Josef Wuermeling geleitete Familienministerium, das mittels Kindergeld, Steuerfreibeträgen
und anderen Maßnahmen kinderreiche Familien förderte, trug dazu bei, dass sich das traditionelle
Frauen- und Familienbild verfestigte.

1950 wurde auch der Muttertag wieder öffentlich gefeiert. Wie Zeitgenossen berichten,
pflückten zwar auch vorher schon an den zweiten Mai-Sonntagen Kinder ihren Müttern Blumen
oder malten ihnen Bilder. Aber der Muttertag war keine offizielle Angelegenheit. Im Mai
1950 gab es dann in den Zeitungen Anzeigen zum und Berichte über den Muttertag. Es fällt
auf, wie heikel das Thema aufgrund der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten noch
war. So wurde betont, wie alt die Ehrung der Mütter ist und als Beleg das 4. Gebot bemüht. In
Wirklichkeit sind die Mütter - glücklicherweise - anders als die Mutter des Muttertages es ist.
Sie sind, Gott sei Dank, nicht so langweilig und von unechter Sanftmut, wie die mit im Schoß
gefalteten Händen dasitzenden Frauen auf manchen Postkarten. Sie haben nichts mit den Einheitsmüttern
des Muttertages gemeinsam, sondern sind vielfältige Persönlichkeiten, Menschen
mit Tugenden und Fehlern ...20 Dieses Zitat zeigt gut das Bemühen, sich von den nationalsozialistischen
Muttertagsfeiern abzugrenzen.

Das von Elly Heuss-Knapp, der Frau des Bundespräsidenten, gegründete „Deutsche Müttergenesungswerk
" veranstaltete am Muttertag 1950 auch erstmals eine Sammlung zur Finanzierung
der Kuren für erschöpfte Mütter. Elly Heuss-Knapp war es gelungen, die verschiedenen
Frauenverbände von „Arbeiterwohlfahrt" bis katholischer Frauengruppe zusammenzubringen
, so dass die Organisation überparteilich und interkonfessionell war. Im Vorfeld des
Muttertages 1955 sammelte Emma Seeh im Stadtrat während einer Sitzung. Um keinen unnötigen
Lärm während der Beratung zu verursachen, empfahl die Sozialdemokratin dem Gemeinderatskollegium
, daß jeder von Ihnen einen Papiergeldschein in die Büchse wirft!21

Während die einen die Nachkriegszeit als wichtige Etappe der Frauenemanzipation sehen,
werten sie andere als „Geschichte der Enttäuschungen und Demütigungen". Und beide haben
Recht, denn Zäsuren und Kontinuität bestanden nebeneinander. In der Zeit von 1945 bis 1949
leisteten Frauen so genannte Männerarbeit, standen der Familie vor und ernährten sie. Diese
Phase wurde aber nur als vorübergehende Ausnahmesituation empfunden. Mit der „Normalisierung
" der Verhältnisse gewann wieder das traditionelle Frauenbild Gültigkeit, galt Haus-

19 Zitiert nach: Gärtner (wie Anm. 3), S. 52.

20 Badische Zeitung vom 13./14. Mai 1950.

21 Südwest-Rundschau vom 7. Mai 1955.

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