Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 203
(PDF, 44 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0203
Denn ab dem 14. Jahrhundert durften auch Christen Geldgeschäfte verrichten. So nimmt es kein Wunder,
dass jede Möglichkeit wahrgenommen wurde, sich der Schulden und der lästigen Konkurrenz zu entledigen
. Als in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine verheerende Pest Europa heimsuchte, war es dann so weit:
Angeheizt durch die Propaganda von Bettelorden entstand entlang des Oberrheins eine Massenhysterie
gegen die Juden, denen man schnell die Schuld an der Epidemie in die Schuhe schob. Außer in Basel wurden
auch in Freiburg und Straßburg fast alle ansässigen Juden ermordet. Ihren Besitz teilten sich die Täter
. Allerdings gab es bereits 12 Jahre nach diesen Massakern des Jahres 1349 wieder vereinzelt Juden in
Basel. Man bediente sich auch jetzt ihrer Fähigkeit, Kredite zu beschaffen und Handelsbeziehungen zu
pflegen. Die solchermaßen Privilegierten erfreuten sich eines gewissen Schutzes der Obrigkeit. Am Ende
des 14. Jahrhunderts allerdings wurde die Stimmung in Basel, insbesondere durch eine vehemente Hetze
der Kirche, immer feindseliger, die Gewaltbereitschaft stieg rapide. Die Mehrzahl der jetzt wieder ansässigen
Juden floh deshalb aus der Stadt. Das jüdische Gemeindeleben kam zum Erliegen und konnte sich
erst wieder 400 Jahre später neu bilden.

Während dieser Jahrhunderte war das Verhalten der Baseler Autoritäten Juden gegenüber recht unterschiedlich
. Manchmal, wie beispielsweise nach den Pogromen von Bauern am Oberrhein oder den Kriegswirren
und Verfolgungen in der Französischen Revolution, gewährte die Stadt einzelnen Juden befristete
Aufenthaltsgenehmigungen. Vor allem, wenn sie dazu beitragen konnten, die wirtschaftliche und finanzielle
Situation der Stadt zu verbessern, waren sie willkommen oder zumindest geduldet. Einigen von
ihnen gelang so ein gewisser sozialer Aufstieg in die bürgerlichen Klassen. Die Mehrzahl der jüdischen
Menschen im Umland allerdings verarmte zusehends aufgrund ständiger Verfolgungen und Enteignungen.
Nur sehr mangelhaft konnten sie etwa durch Hausieren ihren Lebensunterhalt bestreiten. Erst zu Beginn
des 19. Jahrhunderts gewährte Basel einzelnen Juden wieder das volle Niederlassungsrecht. Trotz vieler
Behinderungen und Benachteiligungen entwickelte sich in der Stadt erneut ein jüdisches Gemeindeleben,
wenn auch auf sehr bescheidenem Niveau. 1910 lebten in Basel 2440 Juden, das waren gerade mal 1,8 %
der Gesamtbevölkerung. Wie Heiko Haumann ausführt, stammten sie oftmals aus dem Elsass oder Baden
und verdienten ihren Lebensunterhalt meist durch Handel mit Textilien, Lederwaren, Wolle, Nahrungsmitteln
und Wein.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich eine Art von Antisemitismus heraus, der nicht nur mit
ökonomischer Konkurrenz oder religiöser Ablehnung zu tun hatte. Jetzt traten eher rassische Motive und
Überfremdungsängste in den Vordergrund. Selbst der Gelehrte Jacob Burckhardt war in seinen Schriften
von solchen Tendenzen nicht frei. Verschärft wurde die Lage durch zahlreiche Pogrome in Osteuropa.
Allein zwischen 1881 und 1930 verließen dort etwa 3 Millionen Juden ihre Heimat. Einige Tausend erreichten
auch die Schweiz und ca. 650 von ihnen kamen nach Basel. Sie lösten nicht nur bei vielen
Schweizern Ängste aus. Auch die alteingesessenen Juden in der Stadt begegneten ihren Glaubensgenossen
oftmals mit Argwohn. Patrick Kury stellt in einem Beitrag fest, dass diese Entwicklung auch Folgen
für das Verhalten der Schweiz nach 1933 hatte. Tatsächlich sahen sich jüdische Einwohner mit Beginn der
Hitlerdiktatur auch in der Schweiz manchen Einschränkungen und Schikanen ausgesetzt, wie das Beispiel
des jüdischen Flüchtlings Noämi Sibold zeigt. 1939 schloss die eidgenössische Regierung sogar die
Grenze für jüdische Flüchtlinge. Auch nach weltweiten Protesten war Bern nur zu einer leichten Lockerung
des Einreiseverbots bereit, wie Hermann Wichers herausgefunden hat. Nach 1945 schwankte das Verhalten
der Basler zu den ansässigen Juden zwischen Ablehnung und Integrationswillen. Als der Staat
Israel gegründet wurde, verließen zahlreiche Juden die Stadt um am Aufbau des neuen Landes mitzuwirken
. Waren 1950 noch 2620 Juden in Basel registriert, so ging ihre Zahl bis 2004 auf 1218 zurück (siehe
den Beitrag von Simon Erlanger).

Weitere Themen in diesem Sammelband sind das jüdische Gemeinde- und Kulturleben, archäologische
Ausgrabungen in der Stadt (siehe die Beiträge von Christoph Philipp Matt und Cornelia Alder) und Einzelereignisse
, wie das Schicksal der Juden während der napoleonischen Ära (Beitrag von Susanne Bennewitz
). Neben einem umfangreichen Register verfügt das Werk außerdem über einen Quellenteil vom
Beginn des 13. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Detlef Vogel

Felix Ackermann: Christian Franz Freiherr von Eberstein (1719-1797). Ein gelehrter Domherr des Basler
Domkapitels im 18. Jahrhundert. Mit Beiträgen von Therese Wollmann, Benoit Girard, Rahel C.
Ackermann und Bruno W. Häuptli. Hg. vom Verein Freunde des Domes zu Arlesheim. Schwabe Verlag
, Basel 2004. 426 S., zahlreiche Textabb., Faltkarte.

203


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0203