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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 212
(PDF, 44 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0212
Situation fertig geworden. Nach ihrer Entlassung machte sie sich im krisengeschüttelten Herbst 1938 auf,
ihre Tochter Marianne in Persien zu besuchen, was sie im Rückblick so beschrieb: „Ich dachte, etwa 2
Monate dort zu bleiben, schloß meine Wohnung ab, ließ alles, was ich besaß [...] ganz unbesorgt darin,
steckte den Wohnungsschlüssel in die Tasche und fuhr ab" (S. 110). Nachdem die erschütternden Nachrichten
über die Vorfälle in der so genannten „Reichskristallnacht" bis nach Persien gedrungen waren,
änderte sie auf Drängen ihrer Familie ihre Pläne und blieb in Teheran. Auch dort sorgte sie mit Sprachunterricht
für ihren Lebensunterhalt. Schließlich machte sie sich 1946 - mit immerhin 77 Jahren - auf zu
ihrer letzten Lebensstation, in die USA, wo sie 1954 starb.

Aufmerksamen „Schau-ins-Land"-Leserinnen und -Lesern ist Olga Hempel geb. Fajans seit Jahren bekannt
, denn 2003 erschien dort ihre Biographie, die auf der Grundlage ihres nun edierten Lebensberichtes
verfasst werden konnte. Das Buch enthält jedoch weit mehr als die sehr flüssig, oft sogar amüsant zu lesenden
Erinnerungen einer beeindruckenden Frau, deren Lebensweg als wohlhabende Bürgerstochter eigentlich
einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen müssen. Die Herausgeberin, Olga Hempels Enkelin Irene
Gabriele Gill, ergänzte den Text an vielen Stellen mit ausführlichen Passagen aus der umfangreichen Korrespondenz
, welche die Großmutter vor allem mit ihrer zweiten Tochter Eva Leonore (Gills Mutter) führte,
und ermöglicht so eine Erweiterung des Blickwinkels. Schließlich hat Olga Hempel ihre Erinnerungen mit
großem Abstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA verfasst, wohingegen sich die beigefügten
Briefe durch ihre zeitliche Unmittelbarkeit auszeichnen. Die sehr zurückhaltende Kommentierung und der
angefügte Stammbaum erleichtern das Verständnis zusätzlich. Bedauerlich ist allerdings, dass hier nicht
alle Familienmitglieder aufgeführt sind und auf Gills eigene Generation gänzlich verzichtet wurde. Schade
ist auch, dass die Wiedergabequalität der Fotos sehr zu wünschen übrig lässt.

Dies ändert selbstverständlich nichts an der herausragenden Bedeutung der Edition dieses einzigartigen
Lebensrückblicks einer überaus scharfsinnigen, couragierten, aber auch eigensinnigen Persönlichkeit, die
ihrer Zeit in vielen Dingen weit voraus war und Widerstände jeglicher Art stets als Herausforderung begriff.

Bevor Eva Leonore Zuntz geb. Hempel 1936 über Dänemark nach Großbritannien emigrieren konnte,
lebte sie zusammen mit ihren Kindern gut drei Jahre lang bei ihrer Mutter Olga Hempel in Freiburg. Wie
sie mit der Bedrohung durch die Nazis umging und wie ihre Tochter Irene Gabriele Gill, die im Dezember
1932 in Freiburg geboren wurde, die zwangsweise Verstreuung der Familie über mehrere Kontinente
erlebte, hat die Herausgeberin des hier besprochenen Buches auf der Grundlage zahlreicher Briefe jüngst
in einer Dreifachbiographie beschrieben: Irene Gill: Oma, Mu and Me. Fivepen Publishing. Salesbury,
Wiltshire 2006. 300 S. Ute Scherb "

Andre Hugel/Wolfgang Krebs/Eberhard Neher: Wir waren Feinde. Elsässer, Deutsche, Amerikaner
erinnern an die Kämpfe um die „Poche de Colmar" im Dezember 1944. Centaurus-Verlag, Herbolzheim
2006. 170 S., 66 Abb.

Viele waren damals nicht einmal achtzehn Jahre alt, als sie im Winter 1944/45 in sinnlosen Kämpfen im
„Brückenkopf Colmar" mißbraucht wurden und schließlich als zum Teil erst Sechzehnjährige ihr Grab auf
dem Soldatenfriedhof bei Bergheim fanden. Vier, die das Glück hatten, davon zu kommen, haben jetzt ihre
Erlebnisse in einem Buch festgehalten: Chronologisch gegliedert nach Kampftagen mit eingefügten
Berichten aus den damals beteiligten US-Einheiten sowie eines fünfzehnjährigen Elsässers - Andre
Hügel -. der wesentliche Teile des Geschehens in dem von amerikanischen Truppen besetzten und von
deutschen Einheiten anschließend erfolglos gestürmten Riquewihr erlebte.

Wegen der bevorstehenden Ardennenoffensive hatte der „Brückenkopf Colmar" für die deutsche
Führung nicht nur Gründe des Prestiges, sondern auch große strategische Bedeutung. Verbände der Alliierten
sollten so im Süden gebunden werden. Heinrich Himmler, der „Reichsführer SS", hatte selbst das
Kommando über die schlecht ausgerüsteten und unzureichend ausgebildeten deutschen Truppen übernommen
. Die Lage der deutschen Einheiten war hoffnungslos. Bereits am 19. Dezember 1944 hatte Eberhard
Neher in sein Tagebuch geschrieben: Man teilte mich wieder einem wild zusammengewürfelten Haufen
zu, der am Vormittag des 18.12. angreifen sollte, aber dann doch in einem mörderischen Sperrfeuer
der Amis kurz vor Ammerschwihr liegen blieb, so dass wir uns eingraben mußten. Anfang Februar 1945
musste der elsässische Brückenkopf vollständig geräumt werden.

Das Buch ist nicht nur ein Beitrag zur Erinnerung an einen wichtigen Teil der Geschichte des Zweiten
Weltkrieges am Oberrhein, sondern auch zur Versöhnung „in der Hoffnung, dass sich solch grausame
Ereignisse in Europa nie mehr wiederholen" (Eberhard Neher). Lothar Bohnert

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