Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 215
(PDF, 44 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0215
Ereignis zu einer Katastrophe schlimmsten Ausmaßes stilisiert, mit schwersten Auswirkungen für die damaligen
Menschen und ihre Umwelt in Stadt und Land. So wurden riesige Opferzahlen angenommen und
eine nahezu hundertprozentige Zerstörung der Bausubstanz. Diesen Darstellungen nachzuspüren und sie
auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hat sich Werner Meyer zur Aufgabe gemacht. Zudem strebt er eine Zusammenschau
der heute vorliegenden Erkenntnisse auf historischem, baukundlichem und archäologischem
Gebiet an.

Meyer führt sehr grundlegend und umsichtig sowohl in die historischen als auch die seismologisch-
geologischen Aspekte dieses Themas ein. Er möchte augenscheinlich ein möglichst breites Publikum erreichen
, bei dem die Sachkenntnis beider Bereiche nicht vorausgesetzt werden kann. Zunächst betrachtet
er die Seismologie und erklärt wie Erdbeben entstehen, was sie verursachen können, wie häufig und stark
Europa im Allgemeinen und der Basler Raum im Besonderen von Erdbeben erschüttert werden. Weiter
führt er in die Hintergründe der verschiedenen Messskalen ein. Die auf der Grundlage präziser Messdaten
funktionierende Richter-Skala dürfte dabei noch den meisten Lesern ein Begriff sein. Mit ihr wird
heute die Stärke der Erdbeben angegeben. Für eine Beschreibung von Beben, die vor der Verfügbarkeit
solcher Messdaten stattfanden, ist sie dagegen nicht geeignet. Hierfür stellt Meyer die so genannte EMS-
98-Skala vor, mit der die Stärke von Beben aufgrund der Wahrnehmbarkeit für die Menschen und der Auswirkungen
auf Gegenstände und Gebäude kategorisiert werden können. Ein Beben mit der Stärke IX auf
der EMS-98-Skala, diese Stärke wird für das Basler Beben angenommen, wird beschrieben als „Zerstörend
. Allgemeine Panik unter den Betroffenen. Sogar gut gebaute gewöhnliche Bauten zeigen schwere
Schäden und teilweisen Einsturz tragender Bauteile. Viele schwächere Bauten stürzen ein" (S. 24).

Anschließend stellt Meyer die historische Situation vor und führt seine Leser behutsam und gekonnt in
die Lebenswelt am Rheinknie um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein. Dabei beleuchtet er die Landschaft
um Basel und die Stadt selbst, die sozialen und herrschaftlichen Verhältnisse und geht kurz auf die große
Pestepidemie ein, die Basel bekanntlich nur wenige Jahre vor dem Beben heimsuchte.

Nach diesen einführenden Abschnitten gelangt Meyer zu seinem eigentlichen Sujet, den genauen Ereignissen
und den Auswirkungen des Bebens vom 18. Oktober 1356. Der erste Erdstoß, der Basel am
Spätnachmittag erschütterte, war nur ein Vorbeben, welches das schwerere Hauptbeben nur ankündigte.
Doch auch dieses Vorbeben scheint so erschreckend gewesen zu sein, dass die Bevölkerung aus den Häusern
und wohl auch aus der Stadt Basel flüchtete. Beim Hauptbeben dürften daher die meisten Bewohner
sich nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr befunden haben. Überhaupt scheinen nicht die Erdstöße
die größte Vernichtung in der Stadt verursacht zu haben, sondern vielmehr die schweren Brände, die sich
entzündeten.

Von den Erdstößen unmittelbar betroffen, scheinen vor allem die steinernen Bauten und insbesondere
hoch aufragende Gebäude gewesen zu sein, besonders Türme, Teile der Stadtbefestigung, Kirchen und
Burgen. Auf diese vergleichsweise starren und durch ihre hohe Bauweise trägen Körper konnten die
Kräfte des Bebens am Zerstörerischsten wirken. Vermutlich waren die Folgen für die hölzernen Fachwerkbauten
und Hütten, wie sie vor allem in den Dörfern standen, nicht so schlimm. Zum einen ragten
diese nur vergleichsweise wenig in die Höhe, zum anderen kommt der Baustoff Holz deutlich besser mit
den Zugkräften, die in einem Beben auftreten, zurecht als Stein und Mörtel.

Daraus erklärt sich die recht geringe Zahl der Toten, die Meyer mit „kaum mehr als einige Dutzend"
(S. 103) annimmt. Früher wurde dagegen von 14.000 Opfern ausgegangen. Hierfür kann Meyer gute Argumente
anbringen: Namentlich bekannt sind allein drei der Umgekommenen. Auch setzen in den Jahrzeitbüchern
in der Zeit nach 1356 keine vermehrten Jahrzeitstiftungen zum Gedenken an die während des
Bebens Verstorbenen ein. Zudem scheint es bei den im Basler Urkundenmaterial greifbaren Personen vor
und nach der Katastrophe keinen demographischen Bruch gegeben zu haben. Im Wesentlichen sind die
Personen, die vor 1356 in den Urkunden erscheinen auch diejenigen, die dort nach diesem Datum noch
genannt werden. Aufgrund dessen geht Meyer von „geringefn], statistisch und demographisch irrele-
vante[n] Verluste[n] von Menschenleben" aus (S. 104). Eine Behauptung, die freilich dahin gehend relativiert
werden müsste, dass die von ihm angeführten Quellen lediglich einen kleinen Teil des sozialen
Spektrums abdecken können. Nur reiche Leute konnten Jahrzeiten einrichten und nur die bürgerliche
Oberschicht taucht überhaupt in einer auswertbaren Häufigkeit in den städtischen Urkunden auf. Zu einer
Aussage über die Angehörigen der unteren Schichten wird man anhand dieser Quellen nicht gelangen können
. Gerade diese Unterschichten dürften von den Folgen des Bebens - Nahrungsmittelknappheit, ungünstigere
Wohnsituation, vielleicht auch Brennstoffmangel - wesentlich stärker betroffen gewesen sein,

215


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2006/0215