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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 226
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darf angesichts weiterer Beobachtungen auf eine ähnliche Grundhaltung der gesamten Familie
, zumindest der Generation der Kinder, geschlossen werden. So bezeichnete sich Marga Müller
bei ihrer Eheschließung - wie ihr Mann Paul Goldschmidt - als religionslos." Und auch
Georg Müllers Freikorpsaktivitäten, das sei vorweggenommen, lassen auf eine patriotisch-konservative
Einstellung schließen.

Als Elisabeth Müller, nach dem Besuch des Lyceums und bestandenem Abitur an der Städtischen
Studienanstalt Hannover, 100 zum Sommersemester 1915 ihr Studium aufnahm, stand
ihr Bruder Ernst, inzwischen cand. med., bereits im Felde. Da er schon gedient hatte, hätte er
eigentlich dem Sanitätsdienst als Sanitätsunteroffizier angehört. Doch genügte ihm das nicht.
Er stellt sich, so berichtete seine Verbindung „Salia" in einem ihrer Kriegshefte, freiwillig zur
Waffe, zieht als einer der ersten hinaus, übersteht mit Mut und Kampfesfreude ... seine Feuertaufe
in der vordersten Sturmlinie. ... Von seinen Vorgesetzten anerkannt, ist er als der bestqualifizierte
unter den ersten Auserwählten des Offizierskurses, der ihm hervorragendste Eignung
zuerkennt. Der junge Leutnant kehrt in den Schützengraben zurück. Nach den heißen
Kämpfen bei Beau de Sapt, in deren Brennpunkt er kämpft, genügt die nun ruhigere Vogesen-
front seinem Tatendrang nicht mehr. Er wird Flieger. Anfang 1916 ausgebildet, fliegt er als Mitglied
der Kampfstaffel 36 des 6. bayrischen Kampfgeschwaders in den Brennpunkten der
Kämpfe, zuletzt bei Verdun: Bei einigermaßen ausreichendem Wetter wird viel geflogen,
schreibt Ernst Müller den Verbindungsbrüdern. Meine Staffel bekam heute für einen feinen Flug
nach Nancy am 4.10. (bei dem ich auch einen Luftkampf mit zwei Franzosen hatte) die höchste
Anerkennung des Kronprinzen ausgesprochen... Heute geht's nach Badelaincourt, südlich
Verdun, um Flugplatz und Ausladebahnhof der Franzosen etwas aufzumuntern.

Einen Monat später erhielten die Eltern die Nachricht, dass ihr Sohn Ernst von einem Erkundungsflug
am 9. November nicht zurückgekehrt war. Die Hoffnung seines Vorgesetzten,
dass er, der stets bereit war, sein Alles einzusetzen für sein Vaterland, in Gefangenschaft geraten
sein könnte, erfüllte sich nicht. Ein wenig später gefangen gesetzter französischer Flieger
berichtete: Ich war gerade in Verdun, als das Flugzeug Bemsel-Müller abgeschossen wurde.
Der Walfisch griff einen Farman an über der Zitadelle von Verdun. Das deutsche Flugzeug bemerkte
anscheinend einen dem Farman zu Hilfe eilenden Nieuport nicht. Nach kurzem Kugelwechsel
ging die deutsche Maschine nieder, wahrscheinlich um auf einer Wiese westlich der Zitadelle
zu landen. In 100 Meter Höhe stürzte das Flugzeug plötzlich senkrecht ab. Die beiden
Insassen hatten Bauchschüsse und starben, noch ehe sie hätten abtransportiert werden können.
Sie wurden im Militärfriedhof von Verdun beerdigt. - Iis se sont battus heroiquement, sie haben
wie Helden gekämpft, resümierte in ritterlicher Manier die hinter den deutschen Linien abgeworfene
Meldung der Franzosen, mit der sie den Tod des Leutnants Ernst Müller und seines
Piloten, des Unteroffiziers Christian Bemsel, bestätigten.

Ernst Müllers beispielhafter Kriegseinsatz wird ausführlich in dem von Felix A. Theilhaber
veröffentlichten Band „Jüdische Flieger im Kriege" geschildert,101 mit dem dieser auf die berüchtigte
, vom Kriegsministerium im Oktober 1916 verfügte ,Judenzählung'102 reagierte, die
auch Ernst Müller noch vor seinem Tod miterleben musste. Nachdem die wehrpflichtigen jü-

*> HStAH (wie Anm. 49).

100 jcn besuchte in Hannover ein Lyceum und die 6 Oberklassen der städtischen Studienanstalt realgymnasialer
Richtung; Ostern 1915 erhielt ich das Reifezeugnis, schreibt Elisabeth Müller in ihrem kurzen Lebenslauf, der
ihrer maschinenschriftlichen Dissertation „Ein Fall von Conglutinatio orificii externi uteri" (Göttingen 1920) angefügt
ist. Die Arbeit liegt in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.

101 Felix A. Theilhaber: Jüdische Flieger im Kriege. Ein Blatt der Erinnerung. Berlin 1919. S. 32ff. Vgl. die zweite,
stark erweiterte Auflage: Jüdische Flieger im Weltkrieg. Berlin 1924, S. 91 ff.

102 Volker Ullrich: „Drückeberger". Die Judenzählung im Ersten Weltkrieg. In: Antisemitismus. Vorurteile und
Mythen. Hg. von Julius H. Schoeps u.a. München/Zürich 1995, S. 210-217. Werner Jochmann: Die Ausbreitung
des Antisemitismus. In: Deutsches Judentum (wie Anm. 95), S. 409-510, hier S. 422ff.

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