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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 253
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0253
ren221 - gab das Regime bald jede Rücksichtnahme auf. So setzten sich Mitte 1937 auch in Baden
-Baden die Scharfmacher durch und erreichten, dass die Bäder und Kureinrichtungen nun
für Juden - seien es Bürger oder Gäste - gesperrt wurden. Daran änderte auch der gemeinsame
Protest von Geschäftsleuten und Hoteliers nichts mehr, die durch die neuen Vorschriften den
wirtschaftlichen Aufschwung, den die Stadt in den letzten Jahren genommen hatte, schwer bedroht
sahen.222

Die sich jetzt immer mehr verschärfende Situation bis hin zur öffentlichen Demütigung der
Baden-Badener Juden und der Zerstörung ihrer Synagoge am 10. November 193 8 223 - jener
Synagoge, die Ludwig Levy gebaut hatte, Adolf Heitiers früherer Kollege an der Baugewerkeschule
- erlebte dieser nicht mehr; er war schon im Vorjahr, am 3. August, verstorben und auf
dem jüdischen Friedhof in Baden-Baden bestattet worden. Seine Grabstätte mit dem schlicht
gestalteten, nur mit dem Davidstern geschmückten Grabstein ist heute noch wohlerhalten.224

Ottilie Heitier blieben dagegen die Schrecken des Judenpogroms nicht erspart; sie erlebte die
Vorgänge in Stuttgart, wohin sie wenige Monate zuvor zu ihrem Sohn Hans gezogen war.225
Nachdem die Synagoge in der Nacht in Brand gesteckt worden war, begann die Gestapo am
frühen Morgen des 10. November mit der systematischen Inhaftierung der Stuttgarter Juden.
„Straßenweise wurden die Verhaftungen vorgenommen, selten ein Haus vergessen. Die Sache
war außerordentlich gut organisiert und die Kartothek der Juden auf den neuesten Stand gebracht
."226 Solche Karteien waren bereits früh zur lückenlosen Überwachung der jüdischen
Bürger angelegt worden. In Baden erließ der Minister des Innern am 1. Oktober 1935 eine entsprechende
Weisung an die Polizeidirektionen; ein Jahr später schärfte er ein, dass die Judenkartei
durch die Meldebehörden stets auf dem laufenden zu halten sei. In dieser Weise waren
auch Adolf und Ottilie Heitier von der Polizeidirektion Baden-Baden erfasst worden.227

221 Nach einer Kur in Bad Kissingen verlangte der Staatssekretär im Reichsinnenministerium Pfundtner vom bayerischen
Ministerpräsidenten ein entschiedeneres Vorgehen gegen die vielen Juden im Badeort als bisher, zumal ja
die Olympiade jetzt vorbei sei. Bajohr (wie Anm. 218), S. 131 f.

222 Zum Verbot, die Badeeinrichtungen in Kurorten und Heilbädern zu benutzen, vgl. für Baden und Württemberg
die Dokumentation von Sauer (wie Anm. 211). Bd. 1. S. 87f. und 97ff. Für die Situation in Baden-Baden vgl.
Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden (Veröffentlichungen der staatlichen
Archiv Verwaltung Baden-Württemberg 19). Stuttgart 1968, S. 37ff.; Angelika Schindler: Der verbrannte
Traum. Jüdische Bürger und Gäste in Baden-Baden. Bühl-Moos 1992, S. 11 Off. - Dr. Arthur Flehinger, der als
Weltkriegsteilnehmer .erst' 1935 - bis dahin Studienrat am Gymnasium Hohenbaden - aus dem Schuldienst entlassen
wurde, bestätigt in seinen Erinnerungen (Schindler. S. 128ff.), dass sich die bis dahin relativ günstige
Situation der Baden-Badener Juden seit dem Sommer 1937 zusehends verschlechterte. - Zum Gymnasium Hohenbaden
, das in diesen Jahren von Leo Wohleb, dem späteren badischen Ministerpräsidenten, geleitet wurde,
vgl. auch Hans Schadek: Leo Wohleb. Der Pädagoge. In: Ein badisches Leben. Leo Wohleb 1888-1955 (Stadt
und Geschichte. Neue Reihe des Stadtarchivs Freiburg im Breisgau 19). Freiburg 2002, S. 8-42, hier S. 31 ff.

223 Zu der sadistischen Behandlung der Baden-Badener Juden durch SS-Leute und Parteigänger vgl. die Erinnerungen
Arthur Flehingers. Schindler (wie Anm. 222), S. 128ff. - An der öffentlichen Vorführung der jüdischen
Männer waren auch lokale Parteigrößen aus dem Schuldienst beteiligt (ebd., S. 132), die sich natürlich ebenfalls
nicht scheuten, politisch andersdenkende nichtjüdische Berufskollegen zu denunzieren. Vgl. Schadek (wie
Anm. 222). S. 37f.

224 Todesdatum Adolf Heitiers: Stammtafel der Familien Rudolph/Heitler (Mitteilung Prof. Rasche [wie Anm.
177]); Personalkarte der sogenannten .Judenkartei' der Polizeidirektion Baden-Baden (wie Anm. 227); Grabstätte
Adolf Heitier. - Zur Grabstätte vgl. die unveröffentlichte Dokumentation „Jüdische Friedhöfe" des Landesdenkmalamtes
Baden-Württemberg. Jüdischer Friedhof Baden-Baden, Nr. 51 (Adolf Heitier) mit zugehörigen
Fotos. - Zu Ludwig Levys Synagoge in Baden-Baden vgl. Künzl (wie Anm. 186), S. 86.

225 Zum Umzug Ottilie Heitiers nach Stuttgart am 1.4.1938 in die Wohnung ihres Sohnes in der Diemershalden-
straße 23 vgl. ihre Personalkarte in der sogenannten .Judenkartei' (wie Anm. 227) sowie die Adressbücher der
Stadt Stuttgart (Mitteilung des Stadtarchivs Stuttgart vom 2.4.2003).

226 Maria Zelzer: Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden. Stuttgart [1964], S. 196ff. mit ausführlichen Zitaten
aus Berichten von Betroffenen; vgl. ferner Roland Müller: Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus. Stuttgart
1988. 302ff.

227 Die Judenkartei' mit den Karten von Adolf und Ottilie Heitier liegt heute im Stadtarchiv Baden-Baden, Bestand
Polizeidirektion Baden-Baden. Spezialsammlung Juden. - Zur Verordnung des badischen Innenministers über

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