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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 89
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ineinander übergehenden Vermögensklassen. Es begegnen alle denkbaren Hofgrößen, und die
Schicht der großen Bauern („Wagenmeier") ging ohne klare Grenzlinie in die der mittleren und
kleinen Bauern über („Einspänner" oder „Karrenmeier"); die letzteren wiederum ließen sich
kaum von den Taglöhnern unterscheiden, die in der Regel ebenfalls über geringen Landbesitz
verfügten. Nach Meinung des Hochberger Oberamtsverwesers Schlosser lagen selbst viele
mittlere Bauern an der unteren Grenze der Selbstversorgung: Sie stellten weder rechte Ackersleute
noch rechte Taglöhner vor; [sie waren gezwungen, sich zu verschulden], um ein paar
elende Mannshauet Matten zu kaufen, weil sie kein Vieh halten können und doch müssen".61
Die Mehrzahl der (Land-)Handwerker schließlich war vermögensmäßig den Taglöhnern
gleichzustellen.62 - Auf seinem Weg über den Schwarzwald konnte Galler auch die Auswirkungen
des Anerbenrechts beobachten.63 Dieses führte zu einer klaren Zweiteilung der Gesellschaft
in eine gleichbleibende Anzahl vermögender Hofbesitzer (Erben) und unvermögender
Nichterben, die entweder „weichen" oder ihr Leben als Knechte und Mägde auf dem Hof des
Erben (des jüngsten Sohnes) oder der Erbin (der ältesten Tochter) führen mussten.

Im Oberamt Hochberg betrug im Jahr 1760 der Anteil der „Reichen" 5,2% der Gesamthaushaltungen
, während sich der Anteil der „mittelmäßigen" Bauern auf 48,5%, der der „Armen
" auf 46,3% belief. Im Oberamt Badenweiler lag 1754 der Anteil der „Guten" bis „Reichen
" bei 14,3%, der der „Mittelmäßigen" bei 33,8%, der der „Armen" bei 51,8%. Ein drittes
Beispiel: Im Oberamt Rötteln betrug 1803 der Anteil der Bauern 42%, der der Taglöhner 25%
und der einer „Restgruppe" 33%.M - Der Grund für die hohe Zahl von „Armen"65 lag einmal
in der Kombination von Bevölkerungswachstum und Realteilung der Güter im Erbfall, was der
Badenweiler Oberamtmann Salzer bereits 1749 so beschrieb: Die Einwohner vermehren sich
täglich. Die Güther werden [durch Erbteilung] verstückert, folgt die Nahrung schwecher ...
Aus reichen Bauern werden mittelmäßige Burger. Diese verwandten sich in Taglöhner. Und wer
gibt hernach der letzten Gattung zu schaffen?66 Der zweite gewichtige Faktor war die Entwicklung
der Preise und Löhne. Während die Preise für Lebensmittel ab ca. 1734 stiegen (mit
einem nochmaligen Schub in den 70er-Jahren67), verharrten die Löhne ab ca. 1720 auf einem
gleichbleibend niedrigen Niveau.68 Von dieser Entwicklung profitierten die größeren Bauern,
die regelmäßig Nahrungsmittel auf dem Markt anbieten konnten. Es litten die ärmeren Menschen
(Kleinbauern, Taglöhner, Handwerker), die auf (Zu-)Verdienst durch Lohnarbeit angewiesen
waren, um Nahrungsmittel zu kaufen - deren Situation sich in Teuerungs- und Hungerjahren
nochmals und dramatisch verschärfte.69

Vergleicht man die Ergebnisse moderner Forschung mit den Angaben Gallers zum Vermögensstand
der Bevölkerung im badischen Oberland, so muss man zu dem Schluss kommen,

61 Zitiert nach Strobel (wie Anm. 50), S. 127. - Die untere Grenze für einen „ackerbauenden" vollbäuerlichen Betrieb
(Selbstversorgerhof) lag in der Rheinebene und im anschließenden Hügelland bei guter Landesbeschaffenheit
und fortschrittlicher Betriebsart bei ca. 2,5 ha („Mittelmänner" oder „Einspänner"). Ein größerer Hof besaß
etwa 5 ha und mehr („reicher Bauer" oder „Wagenmeier"); der Besitz eines Taglöhners lag bei unter 1-1,4 ha,
Buszello (wie Anm. 51), S. 8f.

62 Buszello (wie Anm. 51), S. 6-9.
« Siehe S. 82.

64 Hochberg: Strobel (wie Anm. 50), S. 126; Badenweiler: Schülin (wie Anm. 47), S. 36-43; Rötteln: Straub (wie
Anm. 15), S. 147f., dort Anm. 191.

65 Kleinbauern, Taglöhner, (Dorf-)Handwerker - alle diejenigen, „die zwar in der Landwirtschaft ganz oder zum
Teil tätig waren, deren eigener Betrieb aber mangels hinreichender Größe kein auskömmliches Einkommen abwarf
', so Achilles (wie Anm. 14), S. 107.

66 Zitiert nach Straub (wie Anm. 15), S. 92.

67 Der Wohlstand der Röttelner Bauern hing für Galler wesentlich mit den 1770er teuern Jahren zusammen; siehe
S. 88.

68 Vgl. Straub (wie Anm. 15), S. 40-52; Buszello (wie Anm. 51), S. 9-13.

69 Hungerjahre waren im 18. Jahrhundert die Jahre 1709-14, 1740/41, 1770/71 und 1789/90.

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