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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 98
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2008/0098
mendingen zugeordnet.111 Dessen Insassen arbeiteten gegen bloße Kost und Kleidung für das
Unternehmen. Als Galler 1785 die Spinnerei und Weberei in Emmendingen besuchte, waren
für sie dort 49 Kinder tätig, von denen

mehrere [es] zu einer besonderen Feinheit im Spinnen gebracht [haben]; doch es würde zu weitläuftig
sein, hier mehreres davon zu erwähnen, nur muss ich [Niklas von Galler] noch bemerken, daß Herr Hofrat
Vogel seit einiger Zeit einen Mann bei sich habe, der eine Maschine verfertiget, womit eine einzige Person
30mal so viel, als auf die gewöhnliche Art, spinnen kann.U2

Was Galler noch nicht wissen konnte: Auf Drängen Vogels wurde 1789 das Waisenhaus, da es
nicht rentabel arbeite, aufgehoben, die Spinnerei darin eingestellt.113

Gefördert wurde in der Markgrafschaft Hochberg auf Initiative Johann Georg Schlossers
auch der Silberbergbau:

Wegen beträchtlichen Baukosten warfen selbe bisher noch nichts ab, aber man hofft, wenn sie mit der Zeit
der nicht ungegründeten Erwartung entsprechen sollen, daß diese Art von Gewerbe dem dortigen Nahrungsstande
einen noch lebhaftem Betrieb verschaffen werde.114

Zusammenfassung

Auf seiner Reise in das badische Oberland im Sommer und Frühherbst des Jahres 1785 war die
Aufmerksamkeit des jungen Grafen Niklas von Galler weniger auf architektonisch-touristische
Attraktionen, sondern mehr auf käme raiische, d. h. (volks-)wirtschaftliche, Gegenstände gerichtet
.

In Übereinstimmung mit der physiokratischen Grundhaltung am markgräflich-badischen
Hof nahm auch für Galler die Landwirtschaft im wirtschaftlichen Gesamtgefüge den ersten
Rang ein. Sie war es, die eine wachsende Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen hatte
und gleichzeitig durch Verkauf ihrer Produkte ins Ausland das Geld im Land mehren sollte. Zu
jedem Oberamt stellte von Galler daher die Ausfuhr, Einfuhr [und die] Bilanz zusammen.

Vermehrung der Nahrungsmittel und Hebung des Wohlstandes waren gekoppelt an Reformen
und Innovationen, denen - so Galler - die beschränkten Mittel der Untertanen, ökonomische
und mehr noch mentale, oft entgegenstanden.

Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch setzte Galler auf den hinreichend mit Land ausgestatteten
, wohlsituierten, doch nicht exzeptionell reichen Bauern. Denn gegen die Besitzer all-
zugroße[r] Bauernhöfe äußerte Galler deutliche Vorbehalte: aufgrund der Betriebsgröße produzierten
sie nicht effektiv genug und für das Zusammenleben im Dorf seien sie nicht selten
eine Belastung. Die mit zu geringem Landbesitz ausgestatteten Kleinbauern und Taglöhner
wiederum konnten für den Fürsprecher von Innovationen kein Ansprechpartner sein, da deren
ökonomische und geistige Disponiertheit zu den angestrebten Reformen querlag.115 Allein deshalb
traten sie nur marginal in das Blickfeld Gallers.

Im volkswirtschaftlichen Gesamtkonzept des Niklas von Galler spielten Gewerbe, Manufakturen
und Fabriken eine „Nebenrolle". Wenn Galler deren Förderung bejahte, dann primär
zu dem Zweck, die „Armen" und „Überzähligen" auf dem Land mit Arbeit und Einkommen
zu versorgen, d. h. das Land und die Landwirtschaft zu entlasten. Die wirtschafts- und gesell-

111 Diese „Spinnschule" ordnet Zimmermann (wie Anm. 15), S. 102-105, der „Industrieschule des Typs B" zu. Sie
beruhe letztlich auf der Ausbeutung der Kinderarbeit zum Vorteil eines „Fabrik"-Unternehmens.

112 Das Badische Oberland (wie Anm. 1), S. 79.

113 Gemmert (wie Anm. 110), S. 112f.

114 Das Badische Oberland (wie Anm. 1), S. 35. Vgl. S. 80.

115 Vgl. S. 90. Von Galler verzichtet auch nicht auf das moralisierende Argument, dass arme Leute gewöhnlich
liederliche Leute seien.

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