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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 148
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Dass dieses Weltbild ein politisches war, bekamen die Italiener zu spüren. Als Italien 1943
die Front wechselte, wurden sie mit den Sowjetbürgern auf eine Stufe gestellt und bei der
Zwangsarbeit als Kriegsgefangene oder Zivilarbeiter entsprechend behandelt bzw. misshandelt.
Dagegen konnten Sowjetbürger in der rassentheoretischen Hierarchie aufsteigen, wenn sie sich
freiwillig zur Wlassow-Armee oder russischen SS-Einheiten meldeten und „Kameraden" wurden
.

„Westarbeiter"

Das erträglichste Los unter den Zwangsarbeitern in Freiburg hatten - wenn man so etwas sagen
darf und kann - die sogenannten „Westarbeiter", also vor allem Männer und Frauen aus den
Niederlanden, Belgien, Frankreich und Italien, die als freiwillige oder zwangsverpflichtete
Zivilarbeiter nach Freiburg gekommen waren. Sie wurden vorwiegend in Gewerbe- und Industriebetrieben
beschäftigt. Den größten Teil von ihnen hatte in Freiburg der Kunstseidenproduzent
Rhodiaseta in Diensten, der auch in der kriegswichtigen Herstellung von Fallschirmen,
Uniformstoffen und sogenanntem Drahtrollglas tätig war: Neben 211 französischen und 69
britischen Kriegsgefangenen (übrigens indischer Herkunft) sowie 109 sowjetischen Zwangsarbeiterinnen
, die in eigenen Lagern am Rande des Firmengeländes untergebracht waren,
wurden dort 243 Männer und Frauen aus Frankreich, 35 aus Holland, 62 aus Belgien und 3 aus
Italien beschäftigt.8

„Westarbeiter" und „Westarbeiterinnen" wohnten in von den Firmen angemieteten oder
gebauten Privatunterkünften. Sie wurden wie entsprechende deutsche Arbeitskräfte entlohnt,
aus der Werkskantine verpflegt und durften sich in einem vorgeschriebenen zeitlichen und
räumlichen Rahmen in der Stadt und Umgebung bewegen. Es war ihnen erlaubt, Gasthäuser
und kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, Sport in eigenen Vereinen zu treiben und privat
mit Deutschen zu verkehren.

Einer dieser „privilegierten Westarbeiter", der Holländer Piet Coenen, besuchte im Mai 2003
auf Einladung der Stadt nochmals Freiburg, wo er nach seiner Zwangsverpflichtung als Zivilarbeiter
in Deutschland seit 1943 bei der Optischen Anstalt Fritz Kuhnert im Stadtteil Stühlinger
Zielgeräte für die Luftwaffe hatte bauen müssen. Mit anderen Holländern und Franzosen
hauste der damals 19-Jährige im Gasthaus „Wartburg" (Abb. 1). Ihm war wohl bewusst, dass
es ihm als „Westarbeiter" besser erging als anderen Arbeitskräften, vor allem aus Osteuropa.
Bei seinem Besuch 2003 sagte er im Gespräch: Die Leute waren nett zu mir und ich habe
gemerkt, dass da ein großer Unterschied war in der Behandlung von holländischen und französischen
Zwangsarbeitern im Vergleich zu den „ Ostarbeitern ". Die hatten eine sehr schlechte
Zeit.9

Allerdings konnte es mit der Vorzugsbehandlung auch schnell vorbei sein, wenn man auffällig
wurde und wie der Holländer Johannes de Smit der Gestapo in die Hände fiel. De Smit,
der zunächst versucht hatte, in seiner Heimat unterzutauchen, um der Deportation zum Arbeitseinsatz
in Deutschland zu entgehen, war dann doch aufgegriffen worden und im Juli 1943 nach
Freiburg gekommen. Zwar ging es ihm bei einem Schuhmacher in der Herrenstraße nicht
schlecht, doch nutzte er die erste Gelegenheit zur Flucht. Die kam, als er im September 1944
zum Schanzdienst an den Rhein kommandiert wurde. Mit zwei Landsleuten machte er sich zu
Fuß und per Bahn auf den Weg in die Heimat. Kurz vor dem Ziel wurde de Smit bei einer
Razzia in Rotterdam aber aufgegriffen. Man steckte ihn in ein „rollendes AEL", d. h. in ein
mobiles sogenanntes Arbeitserziehungslager. Dessen Insassen wurden von Lüneburg aus mit

* Ebd., S. 43ff.

9 StadtAF, M2/429 Nr. 2; Spitzmüller (wie Anm. 3), S. 49.

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