Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0170
I

Für viele homosexuelle Männer aus Südbaden war das Lager Dachau die erste Station auf
ihrem Weg durch das KZ-System; später, nach dessen Errichtung, das KZ Natzweiler. Die
Gedenkstätte Dachau hat 595 homosexuelle Häftlinge ermittelt. Von ihnen sind mindestens 103
in Dachau gestorben. Dazu kommen diejenigen homosexuellen Häftlinge, die aus Dachau in
andere Lager oder in Vernichtungslager transportiert wurden und dort starben. Mindestens 143
Homosexuelle haben die Befreiung Dachaus erlebt. Zahlen für das KZ Natzweiler liegen nicht
vor.

Zahlenmäßig waren homosexuelle Männer eine der kleinsten Gruppen in den Konzentrationslagern
. Sie hatten es aus verschiedenen Gründen besonders schwer. Allgemeine Vorurteile
der Gesellschaft gegenüber Homosexuellen existierten auch innerhalb der Häftlingsgesellschaft
. Die Männer wurden von ihren Mitgefangenen gemieden und diskriminiert. Die privilegierten
Kapo-Positionen erhielten zumeist politisch Verfolgte oder „Kriminelle". Die Nazis
trennten die Häftlingsgruppen durch besondere Kennzeichen, durch farbige Winkel, die sie auf
der Kleidung tragen mussten. Homosexuelle mussten den Rosa Winkel tragen (Abb. 6).

Die Häftlingsgruppen konkurrierten um hinreichendes Essen und weniger schwere Arbeit;
keine Gruppe arbeitete mit Homosexuellen zusammen. In der Lagerhierarchie befanden sie
sich mit Ausnahme der rassisch Verfolgten auf der untersten Stufe.

Außerdem bildeten die homosexuellen Männer eine heterogene Gruppe mit wenig Zusammenhalt
, denn von arm bis reich, von rechts bis links, von gebildet bis ungebildet war alles unter
ihnen vertreten. Der § 175 StGB zwang Homosexuelle schon lange vor 1933, sich zu verstecken
. Viele verinnerlichten die Nazipropaganda und hatten daher ein geringes Selbstwertgefühl
, manchmal sogar Selbsthass.

In einigen Konzentrationslagern wurden Homosexuelle in Strafkompanien und Kommandos
für besonders schwere Arbeit zusammengefasst, z.B. im KZ Buchenwald im Steinbruch.
Während andere Häftlinge aus den Strafkommandos wieder herauskommen konnten, entfiel
diese Möglichkeit für Homosexuelle. Sie wurden in Sachsenhausen oft im Sonderkommando
„Schuhläufer" eingesetzt, wo sie Schuhsohlen für die Wehrmacht testen mussten. Auf dem
Appellplatz gab es eine Teststrecke mit verschiedenen Belägen. Die Männer wurden gezwungen
, 40 km pro Tag mit Gepäck zu marschieren. In Sachsenhausen wurden Anfang Juli 1942
die meisten Homosexuellen in das Klinkerwerk verlegt und dort bis Mitte September gezielt
umgebracht (Abb. 7). Etwa 200 Homosexuelle kamen allein bei dieser Mordaktion ums Leben.
Sie wurden auch für pseudowissenschaftliche Experimente missbraucht, z.B. in Buchenwald
für Fleckfieberexperimente und „Heilungsexperimente" mit Hormonkapseln. Unter den nicht
ethnischen Gruppen in den Konzentrationslagern hatten die Homosexuellen die höchste
Todesrate.

Die wegen ihrer Homosexualität von den Nationalsozialisten verfolgten Männer bilden eine
Opfergruppe, der bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde und die im
öffentlichen Gedächtnis - aus welchen Gründen auch immer - kaum eine Rolle spielt. Umso
verdienstvoller sind daher öffentlichkeitswirksame Aktionen wie die Verlegung sogenannter
„Stolpersteine". Auch in Freiburg hat es dank der Bemühungen von Marlis Meckel die Anbringung
erster Gedenksteine dieser Art in der Jahnstraße und der Fürstenbergstraße - wie an
anderer Stelle erwähnt - gegeben.

170

i


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0170