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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0176
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der Mitgliedschaft im BNSDJ, der Teilnahme an fachlich verbrämter Indoktrination auf Schulungsveranstaltungen
und dem Bezug längst ideologisierter Fachliteratur selbst Distanzierte,
Skeptiker, ja Gegner. Baders Lörracher Kollege Friedrich Vortisch beschrieb selbstironisch das
Einüben des in Gerichtsverhandlungen nunmehr obligaten Hitlergrußes: Wenn ich vorher ganz
intensiv dreimal den schwäbischen Gruß gedacht habe, habe ich es tatsächlich auch schon fertig
gebracht, und ich verspreche mir von der Methode mit der Zeit prachtvolle Selbsterziehungserfolge
.24 Die Kehrseite dieser im mindesten graduellen Anpassung war die mal mehr mal
weniger rasche Entsolidarisierung von jüdischen Kollegen. Nachdem die Verfolgung der Juden
einsetzte, so die Schilderung vom Ende einer Gemeinschaftspraxis, schmolz die Praxis des
Herrn Dr. Straus zusammen, auch Dr. Meier, der nicht Jude war, hatte durch die Anwaltsgemeinschaft
zu leiden. [...] Dr. Straus musste damals diese Praxis, die beide Herren miteinander
aufgebaut hatten, verlassen, Dr. Meier übernahm die Gesamtpraxis mit Personal, Inventar
und Klientenstamm [...].25 Jüdische Rechtsanwälte mussten ihre angestammten Büroräume in
lukrativer Geschäftslage aufgeben, um, wie im Fall des langjährigen Freiburger SPD-Stadtrats
Robert Grumbach, einem Funktionär wie dem erwähnten Franz Schandelmaier zu weichen.26
Und dies war letztlich nur das Sinnbild anwaltlicher Existenzzerstörung, denn der Räumung
der Kanzlei war das faktische Erliegen der Geschäftstätigkeit vorausgegangen. Wie eng berufliche
, bürgerlich-moralische und bereits physische Existenzvernichtung einhergingen, zeigt der
Fall des Freiburger Rechtsanwalts Ludwig Sternfeld, der, gezielten Rufmordkampagnen eines
ehemaligen Klienten schutzlos ausgeliefert, an dieser Boshaftigkeit und Niedertracht zerbrach
und sich im Jahr von Baders Wechsel zur Anwaltschaft das Leben nahm.27

Zum professionellen Umfeld des Rechtsanwalts gehört sehr wesentlich das Verhältnis zur
Richterschaft. Und dieses beschrieb Bader als oft genug noch immer sachorientiert. Er erinnerte
sich etwa an Richter, die - auf dem politischen Ohr eher schwerhörig - ein Verfahren lieber
um ideologische Klippen herumschifften.28 Tatsächlich gab es neben NS-hörigen noch immer
Richter, die die Erosion richterlicher Unabhängigkeit nicht schweigend hinnahmen; die
sich etwa ein zu verhängendes Strafmaß nicht von Parteistellen diktieren ließen; die die Anwesenheit
„parteiamtlicher Protokollanten", die eigentlich Denunzianten waren, bei ihren Sitzungsterminen
ironisierten: Sind die Herren von der Partei anwesend - dann können wir ja anfangen
!29 Beim Freiburger Landgericht sorgte dessen Präsident Gustav Brugier zunächst dafür,
die Arbeitsatmosphäre sachlich und den politischen Konformitätsdruck gering zu halten. Entsprechend
niedrig blieb zunächst die Anzahl der Parteimitglieder unter seinen Richtern. Aber
auch den Gegenpart des sachorientierten Richters, den anpassungswilligen Vollstrecker jeglichen
gesetzförmigen Unrechts, hatte Bader erlebt - nicht zuletzt in jenem cholerischen Oberlandesgerichtspräsidenten
, der ihn anlässlich der Entlassung aus dem Staatsdienst so wortgewaltig
abgekanzelt hatte. Wir haben erlebt, so sein ambivalent ausfallendes Resümee, dass ein
Gericht, das den Kreisleiter als Zeugen zu vernehmen hatte, bei dessen Erscheinen sich erhob,
um den , Hoheitsträger mit dem deutschen Gruß zu begrüßen'. Zur Ehre dieses jüngsten Rich-
tertums sei allerdings auch angemerkt, dass es vereinzelt Amtsrichter gab, die denselben Kreis-

24 Friedrich Vortisch: Briefe der Brüder. Friedrich Vortisch, Lörrach 1899-1991 und Hanns Vortisch, Monte
Carlo/Argentinien 1900-1982 aus den Jahren 1933-1940, in: Badische Heimat 82 (2002), S. 670-692, hier S. 683.

25 So der Bürovorsteher der Kanzlei an die Landesbezirks stelle für Wiedergutmachung, 6. März und 21. Juni 1953,
GLA, 480 EK 12008.

26 Vgl. Hans Schadek: Robert Grumbach 1875-1960. Jüdischer Rechtsanwalt, Sozialdemokrat und Stadtrat,
Ehrenbürger von Freiburg (Stadt und Geschichte. Neue Reihe des Stadtarchivs Freiburg i.Br. 20), Freiburg 2007,
S. 71f.

27 Vgl. hierzu StAF, F 166/1, Nr. 156.

28 Bader (wie Anm. 6), S. 113.

29 Anette Michel: „Der Gerechtigkeit mit Leidenschaft ergeben". Die Amtsrichter Alfred Weiler und Paul Zürcher
im Dritten Reich, in: Badische Juristen im Widerstand, hg. von Angela Borgstedt, Konstanz 2004, S. 37-75.

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