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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0182
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Beruf machen. Dem Ausscheiden aus dem badischen Justizdienst folgten Berufungen an die
neugegründete rheinland-pfälzische Landesuniversität Mainz und schließlich auf den Lehrstuhl
für schweizerische und deutsche Rechtsgeschichte in Zürich.

Es bleibt abschließend die eingangs gestellte Frage nach der Prägekraft der Diktaturerfahrung
aufzugreifen, die Frage nach der Diktaturerfahrung des Strafverteidigers im Unrechts-
staat, aber auch der persönlichen, privaten Diktaturerfahrung. Da ist zum einen die reflexive
Ebene der Auseinandersetzung mit Recht im Unrechtsstaat, das Bader entsprechend dem Rad-
bruchschen Diktum als gesetzliches Unrecht sah. Das Nachdenken über die juristische Bewältigung
politischer und historischer Schuld durchzieht die Nachkriegspublizistik Baders beginnend
mit Überlegungen zur Wiedererziehung, zur Reeducation nachfolgender Juristengenerationen
bis hin zu Rezensionen von Mitscherlichs „Medizin ohne Menschlichkeit" oder Eugen
Kogons „SS-Staat". „Ursache und Schuld in der geschichtlichen Wirklichkeit" war eine der
zentralen Publikationen jener Jahre, entstanden 1944, so das Vorwort, aus den Meditationen
des durch und durch unfreiwilligen Soldaten und in der Vorstellung, das Zeitalter der Umkehr
sei schon angebrochen.46 Es ist eigentlich ein geschichtsphilosophisches Buch, in dem Bader
wohl auch in Auseinandersetzung mit der 1935 publizierten kulturkritischen Schrift des niederländischen
Historikers Johan Huizinga „Im Schatten von morgen"47 die Gefahren monokausaler
- „eingründiger", so seine Formulierung - Geschichtsdeutungen reflektiert.48

Vielleicht war die Aversion gegen jede Monokausalität und eingründige Schuldzuweisung
der Grund, weshalb Bader nur eher unwillig am formalisierten Prozedere der Entnazifizierung
mitwirkte. Hier sollte er aus seiner Sicht kollektiv Parteimitglieder aburteilen, wo es doch nach
individueller Schuld zu differenzieren galt. Nachmittags Reinigungskommission, notierte er
Ende 1945 in sein Tagebuch, ich trete bei einigen Gemaßregelten für Pensionierung (statt Entlassung
ohne Bezüge) ein.49 Es waren rechtsethische Erwägungen, die ihn hier bewegten,
womöglich aber auch das Eingeständnis, dass Karrierestreben seinen Preis hatte, einen Preis,
den auch er kurzzeitig zu zahlen bereit gewesen war. Was uns als Milde gegenüber „Märzgefallenen
" erscheint, kontrastiert auffallend mit Baders unnachgiebiger Härte gegenüber den
Straftätern und Schergen des Unrechtsstaates. Prinzipienfestigkeit bescheinigte ihm der erwähnte
Spiegelartikel, weil Bader sowohl gegen die Mörder im Ärztekittel als auch gegen den
Erzbergermörder Tillessen die Höchststrafe beantragte - trotz längst grassierenden Gnadenfiebers
! Hier war dem Einzelnen schuldhaftes Handeln der verwerflichsten Art nachzuweisen und
hier blieb Bader unnachsichtig und unerbittlich - auch und gerade, das macht das Plädoyer im
Fall des Erzbergermörders deutlich, im Namen des Opfers.

Dass sich Bader schließlich sehr frühzeitig für den christlich-jüdischen Dialog einsetzte, war
wohl zum Teil dem Einfluss Gertrud Luckners geschuldet. In ihrem Umfeld entstand 1948 die
Idee, diesem Dialog ein publizistisches Forum zu geben: Dies war die Geburtsstunde des „Freiburger
Rundbriefs", in dem sich Bader wiederholt zu Wort meldete - so im Jahr der Kölner
Synagogenschmierereien 1959 zum Thema „Strafrechtlicher Schutz gegen Antisemitismus".
Es mag ein religiöses Grundbedürfnis des bekennenden Katholiken gewesen sein, in diesen
Dialog einzutreten. Die Spuren der Vergangenheit, die Erfahrung als Anwalt entrechteter Juden,
die Erinnerung an das Schicksal der ersten, seiner 1941 deportierten Ehefrau Grete waren mindestens
mitbestimmend. Insofern ist ein primär dem Rechtsanwalt Karl Siegfried Bader gewidmeter
Beitrag ein vielleicht ungewöhnlicher, doch womöglich instruktiver Weg der
Annäherung an diesen Juristen, Landeshistoriker und Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts.

46 Karl Siegfried Bader: Ursache und Schuld in der geschichtlichen Wirklichkeit. Kritik des geschichtswidrigen
Denkens, Karlsruhe 1946, S. 5.

47 Johan Huizinga: Im Schatten von morgen, Zürich/Brüssel 1948.

48 Bader (wie Anm. 46), S. 35.

49 Weber (wie Anm. 13), S. 56.

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