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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0200
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räum. Die Versammlung der Gemeinde zum Gedächtnis an das letzte Abendmahl begann in kleinen Räumen
um einen schlichten Holztisch. Erst in konstantinischer Zeit entstanden größere Kirchenbauten und
Altäre, in Stellung und Form höchst unterschiedlich. Jede Zeit fand ihren speziellen Ausdruck. Einen tiefen
Einschnitt brachte die Liturgiereform des Zweiten Vatikanische Konzils. Umschreitbarkeit und die
Wendung des Zelebranten zum Volk hin wurden für den Altar verbindlich. Gleiches gilt für den Ersatz der
Kanzel als Ort der Verkündigung „von oben herab" durch das Lesepult in der Nähe des Altars: neben den
„Tisch des Mahles" (Altar) trat nun ein „Tisch des Wortes" (Ambo). Mit diesen beiden zentralen liturgischen
Schauplätzen ist in einer Bischofskirche schließlich noch die Kathedra verbunden, die nach den heutigen
Bestimmungen fest aufgestellt sein muss. Die - im Zuge der Debatte viel kritisierte - Lage der neuen
Freiburger Kathedra in der Raummitte hinter dem Altar folgt einer alten Tradition und ist auch im modernen
Kathedralen nicht selten.

Bernd Mathias Kremer, kürzlich aus dem Amt geschiedener Leiter der Abteilung Bauwesen, Kunst und
Denkmalpflege beim Ordinariat, betrachtet die Wandlungen des Innenraums in der Baugeschichte des
Münsters und zeigt die vielen, teils dramatischen Veränderungen, denen die Ausstattung der Kirche im
Lauf der Jahrhunderte unterworfen war, auf. In der Tat hat jede Epoche Kirchenbauten im Geist der jeweils
herrschenden künstlerischen Auffassung überformt und umgestaltet, bis hin zum Abriss und Ersatz ganzer
Bauwerke. Die durchgreifende Neugestaltung der Barockzeit wich schon Ende des 18. Jahrhunderts der
beginnenden Neugotik. Die Erhebung des Münsters zur Kathedrale bedingte noch weitergehende Veränderungen
und Einbauten, darunter einen höchst aufwendigen neuen Bischofsthron links vom Hauptaltar,
der ein riesiges Gesprenge erhielt, und die Aufstellung zahlreicher neuer Altäre in gotischem Stil. Erst
jetzt wurden die spätgotischen Skulpturen des Annen- und des Dreikönigsaltars zu beiden Seiten der Chores
in neuen, von Joseph Dominik Glänz geschaffenen Schreinen auf vorhandenen spätgotischen Mensen
aufgestellt. Ihre Entfernung sollte bei der aktuellen Neugestaltung für besonders viel „Zündstoff sorgen.
Indes war ihre Entfernung und Verlagerung an die Stelle von Josephs- und Marienaltar an das Ostende der
Seitenschiffe bereits 1941 vorgeschlagen, allerdings angesichts der Kriegszeiten nicht durchgeführt worden
. Die neuerliche Aufnahme dieser Idee im Zuge der Neugestaltung ist in der Diskussion dahingehend
variiert worden, dass der jüngere Marienaltar (Sakramentsaltar) nun zwar dem Dreikönigsaltar Platz
machen wird, der Josephsaltar hingegen als einziges komplett erhaltenes Werk von Joseph Dominik Glänz
am ursprünglichen Ort erhalten bleibt. Der Annenaltar wird seinen Platz im Chorumgang finden.

Den Weg zur Konzeption der neuen Altarraumgestaltung, die Phasen ihrer Planung und den schließlich
umgesetzten Endstand beschreibt Anton Bauhof er, Leiter des Erzbischöflichen Bauamtes. Die von Franz
Gutmann entwickelte Lösung steht am Ende einer ganzen Reihe von Wettbewerben und Entwürfen verschiedener
Künstler seit Mitte der 1990er-Jahre, in die Domkapitel und Dompfarrei einbezogen waren.
Eine wichtige Frage war bei allen Projekten der Verbleib des Annen- und Dreikönigsaltars, insbesondere
weil letzterer auch als Weihnachtskrippe der Pfarrgemeinde genutzt wird. Die Versetzung stieß zunächst
- wie schon angeführt - auf Unverständnis. Liturgische Gründe gaben aber letztendlich den Ausschlag für
den erfolgten Abbau. Der neue Altarraum zeigt sich nach der Fertigstellung in räumlicher Weite und Ruhe,
was inzwischen auch viele Skeptiker überzeugen konnte.

Rainer Warland, Ordinarius für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte an der Albert-Ludwigs-
Universität, sucht in seinem Beitrag kunsthistorische Zugänge zu Franz Gutmanns Altar. Ausgehend von
der Form und vom Material untersucht er die komplexe Symbolik der Skulptur. Der rote Vanga-Granit
steht keineswegs im Gegensatz zum Sandstein der umgebenden Architektur - ein vielfach formulierter
Vorwurf der Gegner im Vorfeld - sondern verdichtet und intensiviert vielmehr die vorhandenen Schattierungen
des mittelalterlichen Baumaterials. Nach der Zahlensymbolik der Maße wird die Formgeschichte
des Altartischs ausgebreitet, über die Leuchter, die im Bezug auf die Geheime Offenbarung den Altar
zwingend vervollständigen, kommt Warland auf die Raumwirkung zu sprechen, die entscheidend auf dem
weit vorspringenden Podium beruht, dessen polygonale Brechung das spätgotische Chorhaupt widerspiegelt
und somit auch Baidungs dort platzierten Hochaltar in das Gesamtkonzept einbezieht. Schließlich verbindet
sich für Warland der Altar durch seinen spezifischen Ort mit dem Apostelzyklus im Langhaus,
besonders mit dem Figurenpaar Christus/Thomas am Choreingang.

Das letzte Wort bleibt Franz Gutmann im Dialog mit Thomas Maier, dem Pressesprecher der Erzdiözese
. Für den 1928 geborenen Bildhauer stellt die Chorraumneugestaltung einen Höhepunkt in seinem
Schaffen dar. Noch einmal verweist er auf die Geometrie, aus der heraus er den Grundriss des Podiums
und die Platzierung des Altars entwickelt hat. Er äußert sich zu den Materialien, zur Form, zu den Maßen
und auch zur Kritik an seiner Arbeit: „Das hat mich ziemlich kalt gelassen."

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