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Werner Lacoste: Deutsche Sturmbataillone 1915-1918. Der Kaiserstuhl und das Markgräflerland als
Geburtsstätte und Standort deutscher Sturmbataillone des Ersten Weltkrieges, Helios-Verlag, Aachen
2009, 123 S., zahlreiche Abb.
„Richten wir den Blick auf die Kriegsgeschichte überhaupt, so finden wir so sehr das Gegenteil von einem
unaufhaltsamen Fortschreiten zum Ziel, daß ganz offenbar Stillstehn und Nichtstun der Grundzustand der
Heere mitten im Kriege ist und das Handeln die Ausnahme." In besonderem Maße bestätigte sich Clau-
sewitzens These („Vom Kriege", 19. A., S. 407) nach dem Übergang vom Bewegungs- zum Stellungskrieg
in den Kriegsjahren 1914-1918. Zur Gewinnung der operativen Freiheit und Beweglichkeit diente ein
Truppenversuch der Obersten Heeresleitung (OHL) im Frühjahr 1915, der jedoch an der Realität der Front
scheiterte. Die Reste dieser Versuchseinheit wurden der Armee-Abteilung B (Gaede) am Oberrhein überstellt
und unter neuer Führung in Gestalt des Hauptmanns Rohr vom Berliner Gardeschützenbataillon im
August 1915 in den Kaiserstuhl verlegt. Mit veränderter Konzeption und Bewaffnung sollte Rohr in erster
Linie der in den Vogesen operierenden Armee-Abteilung Möglichkeiten zum Durchbruch eröffnen.
Die Vorführungen des Bataillons im Kaiserstuhl überzeugten General Gaede von der Wirksamkeit eines
solchen Einsatzes im Gebirgskrieg, wo die Truppe am Lingekopf (Oktober 1915) und am Hartmannswei-
lerkopf (Jahreswende 1915/16) ihre Feuertaufe erhielt und erste Beweise ihres Könnens lieferte. Das
„Sturmbataillon Rohr" wurde somit zur „Mutter aller Sturmtruppen" und schon im Februar 1916 zu neuer
Verwendung als Lehrtruppe für die bei den höheren Kommandobehörden aufzustellenden Sturmbataillone
aus dem Kaiserstuhl abgezogen und zur 5. Armee des deutschen Kronprinzen transferiert. Das in Ober-
rotweil verbliebene Nachkommando des Bataillons wurde, vorerst ohne Etatisierung, der 12. Landwehr-
Division als „Sturm-Lehr-Abteilung" aggregiert. Im Oktober 1916 erfolgte neuerlich eine Umgliederung
zum Sturmbataillon der Armee-Abteilung B mit zwei preußischen, einer bayerischen und einer württembergischen
Sturmkompanie, das zum Jahresbeginn 1917 die Nummer 16 erhielt mit Bataillonsstab in Mülhausen
im Elsass. Einer vorübergehenden Zusammenlegung aller Kompanien in Istein im März 1917
folgte im Oktober desselben Jahres die Rückverlegung in den Kaiserstuhl, wo die einzelnen Kompanien
die Ausbildung der Truppen der bei der Armee-Abteilung B eingesetzten Divisionen in der Stoßtrupptaktik
vorzunehmen hatten.
Diese unter Kriegsbedingungen entwickelte neue taktische Option für die Infanterie setzte auf die Elemente
von Überraschung, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Zu diesem Behuf sollten die Sturmtruppen mit
starker Panzerung und Feuerkraft den Angriff der Infanterie vorbereiten und begleiten. Gelehrt und geübt
wurde vornehmlich das Zusammenwirken der Infanterie mit den Unterstützungswaffen und Nahkampfmitteln
. Nach Vorüben an detailgetreuen Nachbildungen wurden Sturmtrupps als kleinste Teileinheit den
Infanterieverbänden, in deren Abschnitt der Angriff erfolgen sollte, zugeteilt, um mit diesen, auf Zusammenarbeit
angewiesen, den Einbruch nach vorheriger Luftaufklärung und Erkundung des Stellungsverlaufes
durchzuführen. Aufgabe der Sturmtrupps war es dabei, die Sturmgassen zu öffnen, die feindlichen
Gräben aufzurollen, MG-Nester auszuschalten, die Gräben in die Angriffsrichtung „umzudrehen" und das
Vorfeld zur Verteidigung einzurichten. Die mitgeführten schwereren Waffen hatten den Einsatz flankierend
abzusichern, die Flammenwerfer sollten Widerstand in den Gräben und Blockhäusern brechen. Grundsätzlich
hatten die Stoßtrupps keilartig ohne Rücksicht auf flankierende Maßnahmen bis zum Ziele durchzustoßen
. Nach erfolgtem Einweisen der Infanterie sollten dann die Sturmtrupps wieder herausgezogen werden
. Die Taktik dieser Sonderformationen änderte sich mit fortschreitendem Kriege. So wurde des Überraschungsmoments
wegen weitgehend auf Artillerievorbereitung verzichtet und mit Scheinangriffen den
Gegner getäuscht. Ziel war es, die normale Infanterie allmählich mit dieser Kampfweise vertraut zu machen
und sie zur eigenen Ausbildung zu befähigen. Die hier gemachten Erfahrungen flössen später in das
neue Reichsheer ein, wo sie allgemeinverbindliches Gut der Dienstvorschriften und der Ausbildung wurden
. Die Namen „Kaiserstuhl" als Ausbildungsort und „Hartmannsweilerkopf" als der erste Einsatzort der
Sturmtruppe stehen somit für die Geburtsstunde eines auf der unteren taktischen Ebene entwickelten operativen
Denkens, dessen materieller Durchbruch erst im darauf folgenden Krieg mit Hilfe der für den
Stoßtruppgedanken geradezu prädestinierten Panzerwaffe in Verbindung mit den Vorstellungen Schlieffens
erfolgte und unter dem schillernden Begriffe „Blitzkrieg" noch heute die Gemüter bewegt.
Diese Thematik jedoch war offensichtlich nicht das Anliegen des vorliegenden Bandes. Stattdessen hat
der Verfasser die kurze Phase des Bestehens des aus dem Sturmbataillon Nr. 5 hervorgegangenen Sturmbataillons
Nr. 16 zum Gegenstand seiner Abhandlung gemacht, was dem eine allgemeine Geschichte der
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