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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2010/0179
Annemarie Ohler/Norbert Ohler: Kinder und Jugendliche in friedloser Zeit. Aus deutscher Geschichte
in den Jahren 1939 bis 1949, Aschendorf Verlag, Münster 2009, 362 S., S/W-Abb.

Sechs Jahre Krieg und vier Jahre Nachkriegszeit aus der Perspektive von Menschen, die damals Kinder
oder Jugendliche waren: Jungvolk, Hitlerjugend, BDM, Luftwaffen- bzw. Flakhelfer, Brandwachen, Blitzmädel
(wie die Nachrichtenhelferinnen genannt wurden), Kinderland Verschickung, Evakuierten dasein,
Rüstungsarbeiterinnen, Flucht und Vertreibung, Notquartiere, Schwarzer Markt, Wiederaufbau und Vierzonendeutschland
. An diesen Stichwörtern kommt niemand vorbei, der diese Zeit bearbeitet.

Annemarie und Norbert Ohler, sie Theologin Jahrgang 1937, er Historiker Jahrgang 1935, setzten sich
jedoch das Ziel, den Alltag lebensecht und nachvollziehbar mit all seinen Zwischentönen darzustellen; sie
erinnern daran, dass es Landstriche gab, wo es sich bis zum Kriegsende 1945 leben ließ wie im Frieden,
dass die Dramatik der Zeit mit ihren Schrecken und Gefahren dem Abenteuergeist junger Menschen entgegenkam
, die Übernahme von Verantwortung als Chance empfunden wurde. Wie sehr der Idealismus junger
Menschen missbraucht wurde, erkannten anfangs nur wenige. In kirchlichen Gruppen gab es da und
dort Jugendliche, die sich - wenn auch unter erschwerten Bedingungen - Freiräume für selbständiges
Denken zu erhalten wussten. Und mit Erstaunen nimmt der Leser eine weitere, wenig bekannte Facette
zur Kenntnis, dass es während des Krieges in den Ballungsgebieten Jugendbanden gab, „die das Erscheinungsbild
der deutschen Jugend verunglimpften", indem sie nachts grölend und rüpelhaft durch die
Straßen zogen. „Freiheitsdurstig, aufsässig, verwildert" überschreiben die Autoren dieses Kapitel, in dem
über Jugendschutzlager berichtet wird, wohin „Störer" und „Dauerversager" verbracht wurden.

Die Verfasser bringen ihre eigenen Erfahrungen als Kinder dieser Zeit mit. Sie erweitern ihre Materialbasis
um mündliche und schriftliche Mitteilungen vieler Altersgenossen aus verschiedenen Gegenden
Deutschlands und mit unterschiedlichem sozialem, wirtschaftlichem und ideologischem Hintergrund. Sie
verarbeiten eine Fülle von Literatur - von wissenschaftlichen Handbüchern bis zu regional- und ortsgeschichtlichen
Werken. Als Beispiel für eine ergiebige, aber eher versteckte Quelle kann ein Aufsatz im
Münsterblatt 11 von 2004 dienen: Bernhard Adler schreibt hier über Freiburg nach dem Angriff im November
1944: „Vor 60 Jahren. Kinder und Jugendliche decken das Münsterdach".

Alle Berichte sind auf Kongruenz mit dem Geschichtsverlauf überprüft, denn nicht alle autobiografi-
schen Kriegserinnerungen sind verlässlich. Eine sieben Seiten lange Zeittafel ermöglicht dem Leser oder
Benutzer des Buches eine zusätzliche Hilfe, um die zwar kurze, aber von großer Ereignisdichte gekennzeichnete
Zeit zu überblicken. Die Chronologie setzt mit dem Jahr 1926 ein (Gründung der HJ in Weimar
) und endet mit 1952 (Gesetz über den Lastenausgleich) bzw. 1953 (Gesetz über die Angelegenheiten
der Vertriebenen und Flüchtlinge).

Annemarie und Norbert Ohler haben ein solides Sachbuch geschaffen, das präzise dokumentiert, indes
auch wertet und sich spannend liest. Freiburg ist nicht nur mit dem Bericht über das Münsterdach nach
dem Fliegerangriff 1944 vertreten, sondern auch mit Erinnerungen an bange Nächte in den Schutzräumen
im Schlossberg Stollen und mit dem Bericht einer Frau aus dem Stühlinger, die lebhaft beschreibt, wie
1940 ohne jedes Alarmsignal Bomben fielen, ein Irrtum der deutschen Luftwaffe, die ein Ziel in Frankreich
anfliegen sollte, was die Forschungen von Gerd Ueberschär belegen.

Wer das Buch gelesen hat, kann sich den Alltag und die Denkwelt der Kinder und Jugendlichen von
damals besser vorstellen und verstehen, dass nicht nur schlimme, sondern auch gute Erinnerungen zurückgeblieben
sind. Groß bleibt das Erschrecken, wie gewissenlos die Jugendlichen ausgenutzt wurden. Glatte
Schlussfolgerungen lassen sich nicht ziehen, sagen die Autoren im Ausblick. „Wer die 1940er-Jahre als
einen Abschnitt von Kindheit und Jugend sichtet, findet in ganz unterschiedlichen Bereichen überzeugende
Anhaltspunkte, dass es nicht nötig ist, nur beschämt und zerknirscht an diese Zeit zu denken."

Renate Liessem-Breinlinger

Die Protokolle der Regierung von Baden, 2. Bd.: Das Erste und Zweite Kabinett Wohleb und die Geschäftsführende
Regierung Wohleb 1947-1949, bearb. von Christof Straub, hg. von der Kommission für
geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2009, 410 S.

„Die drei schlechtesten Ablieferer [seien] so lange einzusperren, bis das Ablieferungssoll der Gemeinde
erfüllt ist." Diese Anordnung der französischen Militärregierung musste Lambert Schill, Minister für
Landwirtschaft und Ernährung, am 14. August 1947 der vollzählig versammelten Landesregierung von
Baden übermitteln. Das seinerzeit nur fünfköpfige Gremium um Staatspräsident Leo Wohleb, verstärkt

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