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den ersten Blick mag man Unternehmerfamilien wie Feierling, Ganter oder Krebs vermissen und auch die
eigentliche Politik scheint etwas wenig vertreten. Manches decken ältere Publikationen in größerer Breite
ab, wie die „Freiburger Biographien", die der Rezensent zusammen mit Walter Preker 2002 herausgeben
hat, auch Edelgard Spaudes „Eigenwillige Frauen in Baden" von 1999 wäre hier zu nennen, beide aber
sicher ebenso subjektiv und zufällig in der Auswahl der Biografien.
Ein großer Verdienst von „In Freiburg bekannt" ist - wie schon in Ingrid Kühbachers 2006 in 4. Auflage
erschienenen Buch „Sie lebten in Freiburg. Erinnerungen beim Gang über den Alten Friedhof - die
Zusammenstellung weitgehend unbekannter Firmen- und Familiengeschichten. Viele Informationen beruhen
auf Gesprächen der Autorin mit den jeweiligen Nachfahren oder stammen aus ansonsten weitgehend
unzugänglichen Familienarchiven. Dazu hat Ingrid Kühbacher eine Fülle von historischen Aufnahmen
, meist aus Privatbesitz zusammengetragen, die die einzelnen Artikel hervorragend ergänzen.
Peter Kalchthaler
Anton Josef Martin: Z'Bürglen uf der Höh. Richard Sichler auf Schloss Bürgeln, Selbstverlag, Freiburg
2009, 264 S., zahlreiche Färb- und S/W-Abb.
Der vorliegende Band bedeutet eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der vorliegenden Bücher von
Hans Trenkle „Heimatgeschichte der Gemeinden Obereggenen und Sitzenkirch sowie der Probstei Bürgeln
" von 1930 (Nachdruck 2006) sowie des Bandes „Schloss Bürgeln, dem Himmel näher", herausgegeben
2009 von Friedrich Schöpflin und Ehrenfried Kluckert.
Schloss Bürgeln - „Wahrzeichen", „Perle" und „Kleinod" des Markgräflerlandes - war in der Vergangenheit
eher glorifiziert als realistisch betrachtet worden. Seine Geschichte kann in drei zeitliche
Abschnitte gegliedert werden: 1125 bis 1806 (Propstei des Klosters St. Blasien), 1806 bis 1920 (Privatisierung
und mehrmaliger Verkauf) und 1920 bis heute (Besitz des Bürgelnbundes). Es gelingt dem
Autor, den „Mythos Bürgeln" zu relativieren und mit den Fakten zu konfrontieren. Im Mittelpunkt der
Betrachtungen stehen die Beziehungen zwischen dem Bürgelnbund (im Jahr 1920 gegründet) und
Richard Sichler, der von 1920 bis 1952 Pächter des Schlosses war. Obwohl die Person Richard Sichler
eine zentrale Rolle spielt, kommt immer wieder das gespaltene Verhältnis zwischen ihm, den Mitgliedern
des Bürgelnbundes und den Bürgern des Markgräflerlandes zum Ausdruck. Faszinierend ist die
Beschreibung der beruflichen Karriere von Richard Sichler bis zum Topmanager („Kathreiner" und
„Odol") mit einem geschätzten Vermögen von 22 Millionen DM, seine Tätigkeit während des Ersten
Weltkriegs und sein überraschender Entschluss, als Mäzen das Schloss Bürgeln zu erhalten, zu restaurieren
und umzubauen. Gleichzeitig wird ein Einblick in das private Leben Sichlers als Ehemann und
Familienvater gegeben.
Im Zentrum der Abhandlung, gleichzeitig den größten Raum einnehmend, beschreibt der Autor systematisch
die Veränderungen im Verhältnis zwischen Sichler und dem Bürgelnbund, hervorgerufen durch
Neid und Missgunst ebenso wie durch die politischen Veränderungen zwischen 1933 und 1945. Der Wechsel
im Vorstand des Bürgelnbundes und der Eintritt vieler Mitglieder in die NSDAP führten zu einem problematischen
und belasteten Miteinander. Die Partei sah Schloss Bürgeln unter einem neuen Kulturverständnis
als Ort einer historisch bedeutsamen Stätte, die sich leicht mit dem Pathos der NS-Kultur („Volk",
„Alemannentum", „heimatliche Tradition") verbinden ließ. Ein sehr konzentriertes Lesen ist erforderlich,
um die Vorgehensweisen und Reaktionen Sichlers, des Bürgelnbunds und der verschiedenen Organisationen
der NS-Regierung im Ringen um Schloss Bürgeln zu verstehen. Ein Verdienst des Autors ist die ausführliche
Darstellung der Spannungen zwischen dem Bürgelnbund und der schillernden Persönlichkeit
Sichlers in der NS-Zeit, die von Vorwürfen und Rechtfertigungen, Denunziation und Strafverfahren bis
zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde geprägt waren. Belegt werden diese Auseinandersetzungen durch
mehrere Quellen, die die umfangreichen und lobenswerten Recherchen des Verfassers verdeutlichen.
Zahlreiche Färb- und S/W- Abbildungen tragen zur Visualisierung sowohl der wichtigsten Personen als
auch der Landschaft und der baulichen Entwicklung des Schlosses in der Ära Sichler bei. Neben rein
informativen Intentionen haben sie auch illustrative und ästhetische Aspekte, die die Attraktivität des
Buches wesentlich steigern. Hilfreich und die Ausführungen ergänzend sind die Kurzbiografien der
handelnden Personen sowie ein kurzer Abriss der Besitzverhältnisse und der einzelnen Bauphasen des
Schlosses. Die ausführlichen Quellenangaben und das Personen- und Ortsverzeichnis erleichtern eine
weitergehende individuelle Spurensuche. Friedrich Schöpflin
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