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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0080
Solange es keine Gemeinde- oder Rathäuser gab, hatte die jeweilige Territorialherrschaft ein
Interesse daran, dass in jeder Gemeinde zumindest ein Gasthaus vorhanden war, in welchem
Amtsgeschäfte erledigt werden konnten. Bei den damals unregelmäßigen Gasthausbesuchen der
Bevölkerung und der mit einer Gastwirtschaft verbundenen Pflicht, stets Wein- und Essensvorräte
für die Gäste bereitzuhalten, konnte das Wirten zu einer unangenehmen Last werden, die
man gerne vermied. Die Bauern lebten in großen Bauernhöfen und verfügten am ehesten über
die für einen Gastwirtschaftsbetrieb erforderlichen Räumlichkeiten. Auch waren sie durch ihre
Vorratshaltung an Lebensmitteln sowie Futter und Stroh für die Tiere prädestiniert, zu Fuß oder
zu Pferd ankommende Fremde zu versorgen. Gerade aufgrund ihrer mehr oder weniger autarken
Wirtschaftsweise benötigten die Bauern jedoch keinen Nebenerwerb in der Form eines
Gastwirtschaftbetriebs. Wollte die Herrschaft die Existenz solcher Gemeindegasthäuser sicherstellen
, musste sie Gegenleistungen anbieten, um das kontinuierliche Wirten attraktiv zu machen.
Die wichtigste der möglichen Vergünstigungen für die Wirte war es, dass sie allein das Recht
erhielten, die Großen Zehrungen in ihrer Gemeinde abhalten zu dürfen. Mit Hilfe dieses Privilegs
konnten diese Wirte erhebliche zusätzliche Einnahmen erzielen. Im Gebiet der fürstenber-
gischen Amter Neustadt, Lenzkirch und Vöhrenbach war dieser Typ des Gasthofes zusätzlich
von der Entrichtung des sonst üblichen Tavernengeldes befreit.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Wirtschaftlichkeit einzelner Gasthäuser ist
der oben erwähnte Typ des Tavernenhofs im Gebiet des Klosters St. Blasien bemerkenswert.
Wie die schon genannten Gemeindegasthäuser im Münstertal und der Ladhof im Prechtal erfüllte
er ähnlich umfassend die Funktionen für bestimmte private Ereignisse wie Käufe, Hochzeiten
oder Hofteilungen und für die öffentliche Verwaltung. Die Bündelung einer Vielzahl von Anlässen
, an denen ausgiebig gegessen und getrunken wurde, auf eine einzige Gastwirtschaft in einer
Gemeinde, trug zweifellos zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit bei.

Aus einem Rechtsstreit um die Abhaltung der Großen Zehrungen in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts in Steig können wir den außerordentlichen Umfang der mit diesen Gemeindegasthöfen
verbundenen Rechte und Pflichten entnehmen. Wie anderswo auch war das Gemeindegasthaus
in Steig, der „Hirschen", im alleinigen Besitz der Rechte zur Abhaltung von Hoch-
zeits- und Taufmahlzeiten. Diesem Vorrecht standen erhebliche Pflichten gegenüber. Der
Gemeindewirt musste u.a. eine Stube zu den Gemeindeversammlungen zur Verfügung stellen,
bei schnellen und zufälligen Todesfällen die Sektion der Leichname in seinem Haus dulden,
Arrestanten, Gauner und dergleichen in seinem Gasthaus unterbringen und in Kriegszeiten bei
Einquartierungen von Soldaten als zentrale Dienststelle dienen.26 Die Wichtigkeit dieser Funktionen
für die Gemeinde und der lokalen Verwaltung erklärt es, dass die Obrigkeit ein hohes
Interesse an einem Fortbestand solcher Gasthäuser hatte und ihre Wirtschaftlichkeit nach Möglichkeit
förderte.

Der Streit der Wirte um die Großen Zehrungen

Im Regelfall sind Streitigkeiten um tatsächliche oder vorgegebene Rechte in den Akten der
Archive besonders gut belegt. Die Akten über derartige Auseinandersetzungen enthalten oft
mehr Informationen über die tatsächlichen Gebräuche und Gegebenheiten als die nüchternen
Vorschriften oder Erlasse der Behörden.

Schon für das Jahr 1652 wird in den Akten ein Streit um die Großen Zehrungen in Todtmoos
aufgeführt. Dort beklagten sich zwei Wirte darüber, dass die Hochzeitsmahlzeiten nicht bei ihnen
abgehalten wurden, sondern im Gasthaus der Leutpriesterei.27 Der Grund für dieses Verhalten der

GLA, 229/100086.

In einer Leutpriesterei war der Pfarrer ein Weltgeistlicher, der keinem Orden angehörte.

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