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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0082
alten Gastwirte wehrten sich dagegen. Immer wieder forderten sie die Neustädter Tavernenwirte
auf, sie sollten zum Beweis ihrer Ansprüche die Urkunden vorlegen, in welchen ihnen die beanspruchten
Zwangsrechte zuerkannt worden seien. Diese wurden - da nicht erteilt - nie vorgelegt
. Erst aus dem Bescheid des Badischen Innenministeriums vom Jahr 1816 geht klar hervor,
dass sich die Neustädter Wirte das Recht zur alleinigen Abhaltung der Großen Zehrungen der
Einwohner von Viertäler nur angemaßt hatten, ohne ein solches Recht wirklich zu besitzen.32
Das alte Herkommen war es, dass die Bewohner von Viertäler wählen konnten, ob sie ihre
Großen Zehrungen in den Gasthäusern von Neustadt oder Viertäler abhielten. Da die Vermählungen
, Taufen und Beerdigungen der Bewohner von Viertäler in der Kirche von Neustadt stattfanden
, hatten auch früher schon die mit diesen Anlässen verbundenen Mahlzeiten teilweise in
einem der Neustädter Gasthäuser stattgefunden. Anders als in Vöhrenbach gelang es den
Neustädter Wirten trotz der Unterstützung durch das Neustädter Obervogteiamt nie, das von
ihnen beanspruchte Recht konsequent durchzusetzen. Immer wieder hören wir von Ausnahmeregelungen
. Zahlreiche Fälle lassen sich belegen, in denen die Bauern ihre Hochzeiten in
Viertäler statt in Neustadt abgehalten hatten.

Für das hier behandelte Thema verdient ein Aspekt in diesem Streit besondere Aufmerksamkeit
: Wie kam es überhaupt zu einer Veränderung des bisher geübten Herkommens der freien
Wahl des Gasthauses? Eine in jener Zeit weit verbreitete Form der Rechtsfindung in strittigen
Fällen war die eidliche Vernehmung der ältesten Einwohner zu dem infrage stehenden
Streitfall. Im oben erwähnten Rechtsgutachten zum Langenbacher Zwangsrecht wurden die
Zeugenaussagen der ältesten Bewohner Langenbachs als richtig, die Aussagen des Obervogts
von Neustadt hingegen als eindeutig falsch anerkannt.

Letztlich lässt sich dieser Streit um die Großen Zehrungen auf eine Vereinbarung aus dem
Jahr 1670 zurückführen, welche die interessierten Gastwirte in Neustadt und in Viertäler miteinander
geschlossen hatten.33 Der über ein Jahrhundert währende Streit war die Folge einer unterschiedlichen
Interpretation der geschlossenen Vereinbarung. Als im Jahr 1747 wieder einmal die
Gemeinde Viertäler mit den Neustädter Wirten wegen der Hochzeitsmahlzeiten stritten, wurden
von der Gemeinde Viertäler die zwei ältesten ortsansässigen Bauern als Zeugen aufgeboten.
Diese wurden nach abgenommenen Handgelübde befragt und machten zur Entstehung des Anspruchs
der Neustädter Wirte wichtige Aussagen: Sie hätten jederzeit gehört, dass der Vergleich
daher rühre weilen nehmlich vor villen Jahren allhier in Newstadt und auch in Viertällern die
Pest regiret und vihle Menschen hinw egger äffet, also zwahr, daß und da die Newstätter Wirth
dem Herkommen gemäß die Todten aus denen 4 Thälleren nicht mehr in ihre Häußer einlassen
wollten, dise versprochen hätten, sie wollten die Hochzeiten dahier halten, wan ihre Todten und
jene, welche selbige bringen, auch bey denen Würthen ferneren Unterschlauff finden würden?4
Als nun die Pest geendigt hatte, haben zwar die damals übrig gebliebenen Bewohner von
Viertäler ihr Versprechen gehalten, die Nachkommen aber sich geweigert, dies weiter zu beachten
, indem sie glaubten, es hätte das Versprechen nur von jenen Hochzeiten den Verstand
gehabt, welche die zur Pestzeit in Leben gewesenen Personen hernach gehalten haben, nicht
aber auch ihre Kinder und Kindtskinder?5 Vermutlich hatten die Neustädter Wirte ursprünglich
eine Notlage der Bewohner von Viertäler benutzt um eine - nicht amtlich bestätigte -
Vereinbarung über die Abhaltung der Großen Zehrungen zugunsten ihrer Gasthäuser zu treffen
(Abb. 4).

GLA, 229/100086.

Kurt Hodapp: Quellen zur Stadtgeschichte von Titisee-Neustadt, Teil 1: Neustadt im Schwarzwald im Dreissig-
jährigen Krieg bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Titisee-Neustadt 1995, S. 472f.
Hodapp (wie Anm. 24), S. 302.
Ebd.

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