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den Universitätsbesuch Voraussetzung waren. Auch die Naturwissenschaften wurden in diesen
Töchterschulen eher stiefmütterlich behandelt. Der Schwerpunkt der Ausbildung lag auf
Fächern wie Literatur, Musik, Geographie, Geschichte, Religion und natürlich besonders auf
Handarbeiten wie dem „Weißnähen".4 Wollten junge Mädchen höher hinaus, blieb ihnen allein
das Lehrerinnenseminar. Die Ausbildung zur Lehrerin - damals der einzig mögliche
Erwerbsberuf für bürgerliche Frauen - fand in zweijährigen Aufbaukursen, den sogenannten
„Lehrerinnenseminaren", statt. Die Absolventinnen wurden in Volks- und Elementarschulen
eingesetzt. Das Unterrichten an höheren Töchterschulen jedoch war den Frauen nur in Ausnahmefallen
und dann ausschließlich in den unteren Klassen erlaubt. Dabei kamen sie nur selten
über den Status einer „Lehrergehilfin" hinaus und wurden finanziell nicht den Lehrern an
Mittelschulen, sondern lediglich den Volksschullehrern gleichgestellt.5

Dies alles galt für die deutschen Staaten, nicht für das Ausland. In der benachbarten Schweiz
zum Beispiel konnten Frauen schon länger die Matura, also das Abitur, erwerben, und seit 1864
standen ihnen dort auch die Universitäten offen.6

Angestachelt vielleicht vom Schweizer Vorbild wurden spätestens Anfang der 1870er-Jahre
auch in Deutschland die Frauen ungeduldig: Der „Allgemeine Deutsche Frauenverein" hatte
die Ausbildung und Beschäftigung weibliche[v] Aerzte für Frauen und Kinder, akademisch
gebildete[r] Lehrerinnen für die wissenschaftlichen Fächer an den Töchterschulen, auch weibliche
^ Rechtsgelehrte[r], als dringende Notwendigkeit erkannt und war nun bestrebt, das Niveau
der höheren Töchterschulen durch die Einführung eines gymnasialen Zweiges anzuheben.7
Da dies jedoch zunächst nicht zu erreichen war, richtete Helene Lange, die allseits als Vorkämpferin
des Frauenstudiums gefeiert wird, in Berlin ihre Realkurse für Frauen ein, in denen
das nötige Grundlagenwissen vermittelt wurde, das die Absolventinnen in die Lage versetzte,
sich in der Schweiz auf die Matura vorzubereiten und diese anschließend auch dort abzulegen.
1893, als alles daraufhindeutete, dass Mädchen künftig auch in Preußen zur Abiturprüfung
zugelassen würden, glich Lange ihre Kurse den Lehrplänen humanistischer Gymnasien an und
benannte sie in Gymnasialkurse um.8 Für die Kursteilnehmerinnen hatte der „Allgemeine Deutsche
Frauenverein" bereits 1879 einen Stipendienfonds eingerichtet, um den Schülerinnen in
der Schweiz ihren Lebensunterhalt zu sichern.9

Helene Lange gilt mit ihren Gymnasialkursen in der Frauengeschichtsschreibung, die ebenso
wie die „allgemeine" Geschichte bis heute stark auf Preußen konzentriert ist, als wesentliche
Vorkämpferin der Frauenbildung und damit auch des Frauenstudiums. Eine mindestens
ebenso herausragende Pionierinnenrolle spielten jedoch auch engagierte Frauen im Großher-

4 Vgl. Christina Rössler: Frauenbildung im 19. Jahrhundert, in: Birgit Heidke/Christina Rössler: Margarethas
Töchter. Eine Stadtgeschichte der Frauen von 1800 bis 1950 am Beispiel Freiburgs, Freiburg 1995, S. 69-111, hier
S. 96f.

5 Vgl. Gudrun Kling: Frauen im öffentlichen Dienst des Großherzogtums Baden. Von den Anfängen bis zum
Ersten Weltkrieg (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg
Reihe B 142), S. 179-183; Ute Gerhard: Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Reinbek
1990, S. 144; Angelika Schaser: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft, Köln
u.a. 2000, S. 59.

6 Vgl. Ute Scherb: „Ich stehe in der Sonne und fühle, wie meine Flügel wachsen". Studentinnen und Wissenschaftlerinnen
an der Freiburger Universität von 1900 bis in die Gegenwart, Königstein/T. 2002, S. 21-24.

7 So Louise Otto-Peters, zitiert nach: Gerhard (wie Anm. 5), S. 149.

8 Vgl. Gertrud Bäumer: Geschichte der Gymnasialkurse für Frauen zu Berlin, hg. vom Vorstand der Vereinigung
zur Veranstaltung von Gymnasialkursen für Frauen, Berlin 1906, S. 11; Kirsten Heinsohn: Der lange Weg zum
Abitur: Gymnasialklassen als Selbsthilfeprojekte der Frauenbewegung, in: Geschichte der Mädchen- und
Frauenbildung, Bd. 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwart, hg. von Elke Kleinau und Claudia Opitz, Frankfurt/
New York 1996, S. 149-160, hier S. 151.

9 Vgl. Gerhard (wie Anm. 5), S. 149f; Margit Twellmann: Die deutsche Frauenbewegung. Ihre Anfänge und
erste Entwicklung 1843-1889, Frankfurt/Main 1993 (Erstausgabe 1972), S. 88.

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