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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0122
sowohl der Hochschule als auch des zuständigen Ministeriums in Karlsruhe bestens informiert
gewesen sein.23 Die Gelegenheit zur Initiative ergab sich bereits kurz nach seinem Amtsantritt:
Zum Wintersemester 1899/1900 nämlich fand sich in Freiburg mit der Karlsruherin Johanna
Kappes die erste Frau mit regulärer Gymnasialbildung und deutschem Abitur ein. Sie beantragte
allerdings nicht die Immatrikulation, sondern begann ihr Medizinstudium zusammen mit vier
weiteren Frauen als Hörerin. Dies war der Moment, als die Freiburger Ortsgruppe des Vereins
„Frauenbildung-Frauenstudium" eingriff und die neuen Studentinnen der Albert-Ludwigs-Uni-
versität zu einer Besprechung einlud. Die fünf jungen Frauen wurden vom Verein ermuntert,
beim Senat der Universität eine Petition einzureichen, um so ihre reguläre Immatrikulation zu
erwirken. Allein Johanna Kappes ging das Wagnis ein und verfasste am 2. November 1899 das
entsprechende Schreiben. Ihre Kommilitoninnen fürchteten, dass ihnen ein solcher Schritt als
Undankbarkeit ausgelegt werden könnte, sie damit ihren Hörerinnenstatus gefährden und eine
Verweisung von der Universität riskieren würden.24 Für das Zögern der vier Hörerinnen gibt es
auch eine andere Deutung, die seit Jahrzehnten durch die einschlägige Literatur geistert: Sie hätten
befürchtet, dass der ausgezeichnete Ruf der Freiburger Universität Schaden nehmen könnte,
würde sich erst herumsprechen, dass hier eine „Frauenuniversität" eingerichtet worden sei und
dafür wollten sie die Verantwortung nicht übernehmen.25 Damit hätten sich die Hörerinnen ganz
auf die subtile Argumentationsstrategie der damals agierenden Professoren eingelassen.

Der Freiburger Senat lehnte das Ersuchen von Johanna Kappes selbstverständlich ab.
Prorektor Steinmann ließ es dabei aber nicht bewenden, sondern übermittelte den Vorgang nach
Karlsruhe an das zuständige Ministerium - und das sicherlich mit Wissen und Zustimmung seiner
Frau.26 Ihm musste klar sein, dass man bei der übergeordneten Behörde angesichts der pro-
fessoralen Verbohrtheit allmählich ungeduldig wurde und durchaus die Möglichkeit bestand,
dass jene den Beschluss der Universität kippen könnte.

Nachdem die Karlsruher Regierung durch Gustav Steinmann über den Fall Kappes in
Kenntnis gesetzt war, entschloss sie sich tatsächlich, gegen alle universitären Widerstände die
Immatrikulation von Frauen endlich auf den Weg zu bringen. Dies teilte man den betroffenen
Hochschulen in Heidelberg und Freiburg postwendend mit. Die Vertreter der hiesigen Universität
waren offenbar wenig erfreut über die längst überfällige Weisung und verlegten sich auf
eine neue Hinhaltetaktik: Am 27. Dezember 1899 empfahl der Freiburger Universitätssenat den
Karlsruher Behörden, doch mit den übrigen Bundesregierungen Vereinbarungen über eine
gleichmässige Behandlung der Frage treffen zu wollen, also die Einführung des Frauenstudiums
erst einmal wieder auf Eis zu legen.27

Die badische Regierung jedoch war keineswegs mehr gewillt, den Freiburger Anregungen zu
folgen. So erging am 28. Februar 1900 endlich der entscheidende Erlass des Ministeriums der
Justiz, des Kultus und des Unterrichts, Frauen mit deutschem Reifezeugnis an den beiden badischen
Landesuniversitäten zuzulassen, allerdings zunächst... nur Versuchs- und probeweise.2*
Ausführlich wurde übrigens begründet, weshalb für die Neuerung kein Gesetz notwendig sei,
das von den beiden Kammern des badischen Landtages hätte verabschiedet werden müssen,
sondern die einfache Form eines Erlasses aus dem Kultusministerium genügte: In den entschei-

Vgl. Grete Borgmann: Freiburg und die Frauenbewegung, Ettenheim 1973, S. 21; Merk (wie Anm. 3), S. 285.
Das Schreiben von Johanna Kappes ist nicht erhalten, die Datierung geht jedoch hervor aus: Steinmann an
Kappes, 14.3.1900, UAF, B 1/2739; vgl. Borgmann (wie Anm. 23), S. 18.

Vgl. Borgmann (wie Anm. 23), S. 18; Edelgard Spaude: Adelheid Steinmann 1866-1925, in: Freiburger
Biographien, hg. von Peter Kalchthaler und Walter Preker, Freiburg 2001, S. 206f., hier S. 206.
Vgl. Edelgard Spaude: Eigenwillige Frauen in Baden, Freiburg 1999, S. 157.

Kultusministerium an die Senate der Universitäten Freiburg und Heidelberg, 9.12.1899; Senat der Universität
Freiburg an Kultusministerium, 27.12.1899, GLA, 235/7440.

Kultusministerium an die Senate in Freiburg und Heidelberg, 28.2.1900 (Abschrift), GLA, 235/7440.

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