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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0129
Freiburg und die NS-Verfolgung der Sinti und Roma

Von

Ulrich P. Ecker

Die von den Nationalsozialisten eingeleitete Ausrottung der Sinti und Roma hat einen langen
Vorlauf in Europa und Deutschland. Sie konnte sich auf Vorurteile, auf Misstrauen und
Abneigung bis hin zu offener Feindschaft stützen, die sich seit dem Mittelalter in der
Bevölkerung entwickelt hatten und fest verwurzelt waren.

In Freiburg - wie überall in Deutschland - verlief die „Aussonderung aus der Volksgemeinschaft
" nach 1933 fast reibungslos. Offene Proteste oder Widerstand gab es nicht. Im
Gegenteil! Obwohl viele Sinti wie auch die Juden als deutsche Staatsbürger integriert waren
und sogar im Ersten Weltkrieg die ihnen doch immer wieder abgesprochene patriotische
Gesinnung gezeigt hatten, konnten sich die Nazis stillschweigender Zustimmung weiter
Bevölkerungskreise zu ihrem Vorgehen sicher sein. „Das Feindbild ,Zigeuner' war", wie es
Reimar Gilsenbach formuliert, „altüberliefert, es war in der Masse der Deutschen stärker ver-
innerlicht als das Feindbild Jude'..."1

Behördliche Erlasse gegen die Sinti und Roma gibt es seit dem Mittelalter und schon ein
erster Höhepunkt dabei ist mit dem Namen Freiburg verbunden. Zu den vielen
Beratungsthemen, die 1498 auf der Tagesordnung des von Kaiser Maximilian I. nach Freiburg
einberufenen Reichstages standen, gehörte auch die Frage, wie zu verfahren sei mit denen, so
sich zcigeiner nennen und wider und für in die land ziehen etc.2 Angeblich besaß man glauplich
anzeig, dass sie erfarer, usspeer und verkuntschafter der cristen lant, also Spione der Türken,
die das Heilige Römische Reich bedrohten, seien. Alle Reichsstände wurden angewiesen, bis
Ostern 1499 die Sinti und Roma aus den landen teutscher nacion zu vertreiben. Wer sie danach
noch oder wieder im Reich antreffe, dürfe ungestraft gegen sie vorgehen.

Wie bei so vielen Reichstagsbeschlüssen ist freilich auch in diesem Falle zweifelhaft, ob er
durchgesetzt wurde. Vom Einsetzen einer großen Verfolgungswelle ist zwar nichts zu hören,
aber über Einzelaktionen haben wir immer wieder Nachrichten.3

Die Sinti und Roma zogen weiter durch das Reich. Auch die vorderösterreichischen Behörden
hier im Breisgau beobachteten sie mit Argwohn und zögerten nicht, sie bei - oft auch nur
vagem - Verdacht auf Straftaten aufzugreifen, sie unter der Folter zu verhören, sie zu
Körperstrafen zu verurteilen oder sie günstigstenfalls nur über die nächstbeste Grenze abzuschieben
. Wiederholt wurden vom 16. bis zum 18. Jahrhundert Streifen und Razzien gegen
fahrendes Volk, Vaganten, Jauner und Zigeuner von der vorderösterreichischen Obrigkeit organisiert
, teilweise auch in Kooperation mit Stellen in der benachbarten Markgrafschaft Baden.4

* Geringfügig gekürzte Niederschrift eines Vortrags, der anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung zum „Auschwitztag
" am 27.01.2011 im Historischen Kaufhaus der Stadt Freiburg gehalten wurde.

1 Reimar Gisenbach: Die Verfolgung der Sinti - ein Weg, der nach Auschwitz führte, in: Feinderklärung und
Prävention. Kriminalbiologie, Zigeunerforschung und Asozialenpolitik (Beiträge zur nationalsozialistischen
Gesundheits- und Sozialpolitik 6), Berlin 1988, S. 176.

2 Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. (Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe 6), bearb. von Heinz
Gollwitzer, Göttingen 1979, S.737.

3 Martin Ruch: Sinti in Freiburg und am Oberrhein, in: Badischer Volkskalender, Freiburg 1981, S. 72-76, hier S.73.

4 Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), Cl Criminalia 1.

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