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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0130
Noch nahm man es mit der exakten ethnischen Zuordnung nicht so genau. Das begann erst in
badischer Zeit, als „Zigeuner" zum „Ordnungsbegriff' wurde. Aber erst in den Achtzigerjahren
des 19. Jahrhunderts ist im Großherzogtum Baden ein verschärftes Vorgehen gegen die Sinti und
Roma mit Verordnungen und Gesetzen zu beobachten: Die „reisenden Zigeunergruppen" wurden
nun nach Familien getrennt, das „Umherziehen in Horden" wurde verboten und bei der
Ankunft in Ortschaften mussten Meldung gemacht sowie Ausweispapiere hinterlegt werden.

Der Ausbau der Überwachung setzte sich auch nach dem Ersten Weltkrieg fort: Beim
Landeskriminalpolizeiamt Karlsruhe kam es zur Errichtung einer sogenannten „Zigeunerzentrale
", bei der alle Vorgänge über in Baden lebende oder sich aufhaltende ,Zigeuner' registriert
wurden.5 Ein Erlass von 1922 verpflichtete alle Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehenden
Personen, eine Personenkarte mitzuführen, auf der auch Fingerabdrücke registriert waren. 1927
wurden alle badischen Standesämter angehalten, Geburten, Eheschließungen und Todesfälle
von Sinti und Roma an die „Zigeunerzentrale" in Karlsruhe zu melden.

Quellen zum Aufenthalt von Sinti und Roma in Freiburg sind für das 19. Jahrhundert im
Stadtarchiv kaum zu ermitteln. Erst Mitte der 1880er-Jahre werden in den städtischen Akten
gewohnheitsmäßige Lagerplätze von „Zigeunern" und Auseinandersetzungen, die damit verbunden
waren, erwähnt:6 Bis zum Bau des Schlachthofs 1884 war zunächst offenbar ein Platz
beim Bad an der Faulerstraße benutzt worden. 1888 wurde dann ein städtisches Gelände südlich
der Dreisam beim Sandfang als Lagerplatz zugewiesen. Zwar zeigte die Stadtverwaltung
Verständnis, als sich der Lokalverein Freiburg-Ost 1907 über die Belästigung der Bewohner des
angrenzenden Stadtteils durch die „Zigeuner" beschwerte, doch wollte man von einer Verlegung
an den Mooswald weit vor der Stadt nichts hören, denn dort wären die Sinti der Kontrolle ent-
zogen. Die Überwachung der nomadisierenden Sinti und Roma, deren Verhalten sich bürgerlichen
Normen entzog, hatte Priorität.

Nach dem Ersten Weltkrieg ist dann einem Schreiben des Bezirksamts zu entnehmen, dass
sich in vermehrtem Maß Zigeuner zum vorübergehenden Aufenthalt in Freiburg niederlassen
offenbar an diversen Stellen im Stadtgebiet. Die Abstellung von Wohnwagen beim Güterbahnhof
und vor allem in der städtischen Kiesgrube an der Hugstetter Straße ist aktenkundig.
Dort wurde den Sinti wenigstens im Winter ein etwas ausgedehnterer Aufenthalt bis zum
Weiterzug im Frühjahr gewährt. Doch scheint sich das zu Beginn der 30er-Jahre geändert zu
haben. Als im Oktober 1932 die Polizeidirektion des Bezirksamts bei der Stadt nachfragte, ob
es bei dieser relativ liberalen Handhabung der Aufenthaltsgenehmigung in den vergangenen
Jahren bleiben solle, und durchblicken ließ, dass man selbst nichts dagegen hätte (Abb. I),7 stieß
sie plötzlich auf Widerspruch und musste sich sogar vom Stadtrentamt sagen lassen, dass die
weniger strenge Einstellung des Bezirksamts gegenüber früher den Andrang der Zigeuner
nach Freiburg bestärkt hat} Der Polizeidirektion wurde mitgeteilt, dass der Stadtrat grundsätzlich
einem längeren Verweilen von „Zigeunern" mit allen Mitteln entgegenwirken wolle (Abb.
2), nicht zuletzt auch weil zu befürchten sei, dass diese meist kinderreichen Familien in kurzer

5 Max Matter: Zur Lage der ,Zigeuner' in Baden vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Weimarer Republik,
in: 60 Jahre Vergangen, verdrängt, vergessen? (Herbolzheimer Blätter 5), Herbolzheim 2003, S. 117-132, hier S. 129f.

6 Die folgende Darstellung der Verhältnisse bis 1936 beruht auf der Ausarbeitung von Hans Peter Mehl/Adolf
Dettling: Die Freiburger Zigeuner - Auf der Suche nach einer neuen Identität (Freiburger Stadthefte 25),
Freiburg 1978. Die von Mehl und Dettling für ihre Ausarbeitung benutzten Akten im Stadtarchiv Freiburg über
„Straßenbettel und Zigeunerunwesen" C3/537/2 (1892-1910) und C4/XII/30/11 (1920-1939) sind seitdem verschollen
.

7 Auf dem Schreiben des Bezirksamts vom 17.10.1932 findet sich eine Randnotiz des Oberbürgermeisters Dr. Karl
Bender: Am besten wäre es, man ließe sie schon gar nicht hier ansässig werden, StadtAF, D.Li. 373.

8 Schreiben vom 26.11.1932 an das Fürsorgeamt, ebd.

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