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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0134
im Straßenbau leisten. Uber Stationen in mehreren anderen polnischen Arbeitslagern, wo sie
hauptsächlich zur Küchenarbeit herangezogen wurde, gelangte Maria M. schließlich im März

1944 nach Koniecpol zwischen Kielce und Tschenstochau. Ob ihre Kinder die ganze Zeit über
bei ihr waren, ist ungewiss, doch war das offenbar der Fall, als beim Näherrücken der Front
eines Tages die Wachmannschaften verschwanden. Alle vier setzten sich ab und schlugen sich
über Radom und Leipzig per Bahn nach Kleinaspach im Württembergischen durch, wohin von
früher Beziehungen bestanden. Während die beiden Söhne Joseph und Robert aber noch dort

1945 an den Spätfolgen von Sterilisation in einem Falle und Lagerhaft im anderen starben, kehrte
die Tochter mit Ihrer Mutter spätestens im Juli 1945 nach Freiburg zurück.19

Weitere Deportationen von Sinti aus Freiburg sind erst zwei Jahre später nachweisbar. Sie
erfolgten auf der Grundlage des am 29. Januar 1943 per Schnellbrief an alle Kriminalpolizeileitstellen
ergangenen „Auschwitzbefehls" von Heinrich Himmler. Danach war der größte
Teil der noch im Reich verbliebenen Zigeuner und Zigeunermischlinge in das Konzentrationslager
Auschwitz zu bringen. Ausgenommen bleiben sollten nur reinrassige Sinti, gute Zigeunermischlinge
und zigeunerische Personen, die mit deutschblütigen verheiratet sind, die sozial
angepasst mit fester Wohnung und Arbeit leben sowie die Wehrdienst leisten oder sich in einem
wehrwirtschaftlich wichtigen Arbeitseinsatz befänden. Diese von der Deportation nach Auschwitz
verschonten Menschen sollten jedoch zwangssterilisiert werden.20

Unter den Freiburger Sinti, bei denen am 23. März 1943 die Gestapo zugriff, um sie nach
Auschwitz-Birkenau in das dort neu eingerichtete „Zigeunerlager" zu bringen, waren unter
anderem Familien, die in der Wiehre und in der Altstadt wohnten.21

Peter F., der seit 1937 als Möbelpacker bei der Spedition Flamm arbeitete, und seine Frau
Rosa, die Eltern von zwei sieben- bzw. achtjährigen Mädchen waren, hatten offenbar geahnt, was
geschehen könnte, denn sie hatten bereits vorab einem Verwandten Vollmacht gegeben, über
ihren Besitz zu verfügen.22 Der Hausrat wurde nun beschlagnahmt, akribisch listenweise erfasst
und dann an einen Vetter Peter Fs. verkauft. Der Vorgang bis hin zur Auflösung der Konten der
Kinder bei der städtischen Sparkasse und zur Zahlung noch fälliger Miete wurde bezeichnenderweise
auf einem „Kontoblatt der Abteilung Jüdisches Vermögen Freiburg" detailliert abgerechnet
. In Auschwitz, wo der Arzt Josef Mengele seine pseudowissenschaftlichen Experimente
durchführte, wurde die gesamte Familie Opfer gefahrlicher Eingriffe, zu denen künstliche
Infektionen mit Flecktyphus, Malaria und Tuberkulose sowie Operationen gehörten. Während
der Vater daran starb, überlebten Mutter und Kinder, doch hatten sie fortan unter den Folgen
dieser Misshandlung zu leiden. Rosa F. berichtete später auch über schwere körperliche Arbeit
beim Tragen von Steinen und Sand sowie beim Betonieren. Im Mai 1944 befanden sie und die
Kinder sich in der Quarantänestation des Lagers Auschwitz-Birkenau. Danach wurden sie -
wahrscheinlich einen Tag vor der Liquidierung des dortigen „Zigeunerlagers" - am 3. August
1944 zunächst nach Mauthausen, dann nach Ravensbrück transportiert. Im KZ Ravensbrück
wurde Rosa F. zwangssterilisiert und schließlich mit den Kindern ins Konzentrationslager
Bergen-Belsen gebracht. Sie kamen dort einen Tag vor der Befreiung des Lagers an.

Deportiert wurde 1943 auch Elisabeth L. mit ihren drei kleinen Kindern und ihrer Schwester
Barbara.23 Elisabeth L. verlor in Auschwitz ihre beiden jüngeren Söhne. Im Herbst 1944 kam
sie von Auschwitz zunächst nach Ravensbrück, wo sie zwangssterilisiert wurde, und schließ-

Liste mit Geldanweisungen bis 31.08.1945, ebd.

60 Jahre Vergangen, verdrängt vergessen? (wie Anm. 5); Feyen (wie Anm. 16).

Wir beschränken uns aufgrund der Vorgaben für den Umfang dieses Beitrags auf die Darstellung von ausgewählten
Einzelfällen. Zu weiteren Fällen, die über die Wiedergutmachungsakten beim Staatsarchiv Freiburg (Bestand
F 196/1) nachweisbar sind, wurden von uns Unterlagen gesichtet und ausgewertet.
StAF, F 196/1 Nr. 4684 Akte des Landesamts für Wiedergutmachung.
StAF, F 196/1 Nr. 2241 Akte des Landesamts für Wiedergutmachung.

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