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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0163
Christen verbinden, nehmen hier ihren Ausgang; so etwa zum Dank für die glückliche Wiedervereinigung
Deutschlands in Frieden und Freiheit 1989/90.

Seit frühen Jahrhunderten haben Christen ihre Kirchen, Klöster und Spitäler, ihre
Bruderschaften, Städte und Völker unter den Schutz von Heiligen gestellt; sie hofften, dass
Menschen, die Gott schon zu sich genommen hat, vor Gott für ihre Gemeinschaft Fürsprache
einlegen. Das Münster ist der Gottesmutter „Unserer Lieben Frau" anvertraut. Hans Baidung
Grien hat sie als Königin der Heiligen über dem Hauptaltar im Chor dargestellt (1512-1516).
Auch andere Heilige haben im Münster eigene, ihrer Verehrung geweihte Gedenkstätten. Alle
diese Heiligen zu nennen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Zu einem Ort immer neu lebendigen Gedenkens wird das Münster vor allem durch die Feier
der Messe. Eingangs bekennen die Gläubigen, Gutes unterlassen und Böses getan zu haben.13
Kritische Erinnerung an den eigenen Lebensweg soll das Herz für die Feier reinigen. Zur Vorbereitung
auf die Kommunion greift die Gemeinde diesen Gedanken wieder auf, wenn die
Beter im „Vater unser" Gott um Vergebung ihrer Schuld bitten und sich ihrerseits bereit erklären
, Schuldigern zu verzeihen. Im Zentrum der Messe steht das schon erwähnte Wort Jesu bei
der Einsetzung des Abendmahles: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!" Dann öffnet die Erinnerung
an Tod und Auferstehung Jesu den Feiernden Wege, ihrer Mitmenschen zu gedenken,
Lebender, die sich in schwieriger Lage befinden, und Verstorbener. Zwar wird auch ganzer
Gruppen gedacht, etwa aller Versammelten oder aller Toten der Gemeinde. Doch im
Mittelpunkt des Gedenkens steht nicht ein anonymes Kollektiv, sondern der einzelne, bei seinem
Namen genannte Mensch. Für viele bedeutet das noch heute, dass der Gerufene, selbst
wenn er verstorben ist, mit der Nennung seines Namens vergegenwärtigt wird. Solche memoria
lässt sich als eine Form verstehen, den Tod zu überwinden.14 Zugleich ist sie ein Zeichen,
welch hohen Wert christlich verwurzelte Gesellschaften dem Einzelnen beimessen; jeder
Mensch soll als Abbild Gottes geachtet werden.

Aus dem Credo, dem Glaubensbekenntnis der Messe, spricht die Uberzeugung, dass die
Geschichte einen Anfang und ein Ende hat und nicht ewig das Gleiche wiederkehrt.15 Mit der
Erwähnung eines römischen Provinzgouverneurs wird die ,Heilsgeschichte' in die ,Profangeschichte
' eingebunden. Jesus und Pontius Pilatus erscheinen nicht als mythische Gestalten,
sondern als historische Personen, die sich in einer ganz bestimmten Zeit begegnet sind.

Stärker als liturgische Gebete sprechen Lieder das Gemüt an; nicht wenige öffnen der
Erinnerung weite Horizonte. „Großer Gott, wir loben dich" könnte auf Ambrosius, Bischof von
Mailand (374-397), zurückgehen; es lässt sich als Ausdruck überschäumender Freude darüber
verstehen, dass die Christen aus schwersten Verfolgungen gestärkt hervorgegangen waren. „Ein
feste Burg ist unser Gott" bekundet Glaubenszuversicht in einer von Unsicherheit und Zweifel
heimgesuchten Zeit; von Martin Luther gedichtet und vertont, ist es das Schutz- und Trutzlied
der Christen, die im 16. Jahrhundert eine tiefgreifende Reform der Kirche auf den Weg gebracht
haben. In Deutschlands finsterster Zeit hat Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) ein Lied gedichtet
, das von Gottvertrauen angesichts des sicheren Todes kündet: „Von guten Mächten wunderbar
geborgen."

Wie im liturgischen Gebet so werden auch in farbigen Fenstern des Münsters Abwesende vergegenwärtigt
. Angehörige der Bäckerzunft haben die Glasmalereien mit Szenen aus dem Leben

Daneben gibt es das dreifache Schuldbekenntnis (mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa). Die Besinnung auf
„Gutes unterlassen" könnte sich mit der Einsicht erklären, dass Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus
auch dadurch schuldig geworden sind, dass sie untätig geblieben sind, wo sie hätten handeln müssen.
Zu den antiken und mittelalterlichen Wurzeln vgl. Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen
Gedenkens im Mittelalter, hg. von Karl Schmid und Joachim Wollasch (Münstersche Mittelalter-Schriften 48),
München 1984.

Bildlich dargestellt im Tympanon über dem Nordportal und im Tympanon über dem Hauptportal.

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