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Das Universitätszentrum

Abschließend seien zwei Kollegiengebäude betrachtet. Sie tragen Zeugnisse von Einstellungen
, die dem Nationalsozialismus den Boden bereitet haben, und versöhnlich stimmende
aus den Jahren vor 1933 und nach 1945.62

Nicht zu übersehen sind die goldenen Lettern in der Westfront des 1911 eröffneten Kollegiengebäudes
I: „Die Wahrheit wird euch freimachen."63 Entnommen ist die Verheißung einer
Streitrede Jesu mit Juden. Liest man im Evangelium weiter, schockieren bestürzend harte
Vorwürfe: „Ihr stammt vom Teufel, er ist euer Vater, und ihr wollt das tun, was euer Vater will"
(Joh 8,32-44). Aus dem literarischen und historischen Kontext gerissen, konnten diese Worte
blinder Judenfeindschaft als Argument dienen. Dem Autor ist freilich kein Beleg dafür bekannt
geworden, dass die Inschrift 1911 mit dem Blick auf diese Verse gewählt oder später als Hinweis
darauf gelesen worden ist.

Ins Grübeln gerät, wer die schlichte Steinskulptur an der Südwestecke des Kollegiengebäudes
I betrachtet (Abb. 9). Eine sitzende Frau hält den Kopf geneigt, die Hände hat sie ineinander
gelegt; auf dem Sockel stehen nur zwei Worte und zwei Jahreszahlen: „DEN TOTEN / 1914 -
1918". Kaum mehr lesbar sind die später hinzugefügten Zahlen „1939 - 1945". Gepflegt wurde
die von Arnold Rickert geschaffene, 1929 aufgestellte Alma mater auch nach 1945 offenbar vor
allem als ein Denkmal zu Ehren der Opfer des Ersten Weltkrieges. Bedenkt man, wie düsterheroisch
andernorts an diesen Krieg erinnert worden ist, möchte man dem Künstler für seine
zurückhaltende Darstellung danken. Beim Anblick der Trauernden denkt man nicht an Helden,
sondern an Ehefrauen und Bräute, Mütter und Schwestern, die ihre Lieben verloren haben. Mit
den zwei Worten der Inschrift können alle Toten des Großen Krieges gemeint sein, auch die der
ehemaligen Feindstaaten, und nicht nur die Krieger; so hatte Belgien, anders als Deutschland,
in den vier Jahren auch viele Ziviltote zu beklagen. Solche Erwägungen lagen den tonangebenden
Männern der Universität offensichtlich fern, die Studierende und Lehrende zu Füßen
der trauernden Alma mater zu martialischen Feiern zusammenriefen, etwa am 28. November
1931 zu Ehren der Langemarck-Gefallenen.64 - Im November 1914 hatten unzureichend ausgebildete
und ausgerüstete deutsche Truppen beim belgischen Langemarck entsetzliche Verluste
erlitten. Die sinnlosen Angriffe wurden hierzulande bis in die 1950er-Jahre (oder länger
noch?) verklärt.65

Uber dem Haupteingang des Kollegiengebäudes I prangt eine Inschrift, die eine Geschichte
hat und eine Zukunft haben soll. Am 10. Juli 1934 zerstörte ein Brand den Dachstuhl und die
Aula mit ihrer Kuppel.66 Die Verantwortlichen nutzten das Unglück, um das Gebäude aufzu-

Vgl. Frank-Rutger Hausmann: Wenn du das Denkmal suchst, geh ums Haus. Ein Schwarzes Brett der jüngeren
Geschichte: Das Kollegiengebäude I der Universität Freiburg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juli
2007.

Der Autor bittet um Nachsicht dafür, dass es ihm nicht gelungen ist, die vielen Orte der Erinnerung überzeugender
aufeinander zu beziehen.

Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund dieser Inschrift vgl. Bernd Martin: Vorwort des Herausgebers. Aus der
Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte, in: Festschrift 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität (wie Anm. 8), Bd.
3, S. 13-26, vor allem S. 13f. Zum Folgenden vergleiche auch die dort in Anm. 1 erwähnte Arbeit von Gerhard
Kaiser: Die Wahrheit wird euch frei machen. Die Freiburger Universitätsdevise - ein Glaubenswort als Provokation
der Wissenschaft, in: Welche Wahrheit braucht der Mensch? Wahrheit des Wissens, des Handeln, des
Glaubens, hg. von Ludwig Wenzler, Freiburg 2003, S. 47-103, verkürzte Fassung in: Freiburger Universitätsblätter
147 (2000), S. 5-33.

Vgl. Festschrift 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität (wie Anm. 8), Bd. 1, S. 164f. mit Abb. 178f. und S. 157
mit Abb. 167 (Foto des Mahnmals); Scherb (wie Anm. 26), S. 106f. mit Abb. 73.

Der Autor erinnert sich, dass sein Geschichtslehrer 1954 mit bebender Stimme die jungen Krieger gefeiert hat,
die in das feindliche Feuer gestürmt seien, „das Deutschlandlied auf den Lippen".

Vgl. Festschrift 550 Jahre Albert-Ludwigs-Universität (wie Anm. 8), Bd. 1, S. 195-198 mit den Abb. 214-224.

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