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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0190
zehn Vorgestellten sind weiblich, wegen der chronologischen Anordnung angeführt von der „Schleifer-
bärbel" (1744-1793), einer nichtsesshaften Vagantin und Gaunerin. Offenburg und Sulz am Neckar sind die
Hauptorte, an denen sie wegen Straffälligkeit Spuren in amtlichen Dokumenten hinterlassen hat. Die
Autorin Eva Wiebel umreißt das Aktionsfeld, das vom Odenwald bis in die Nordschweiz reichte, rekonstruiert
den Wanderkalender, der sich an Märkten und Wallfahrten orientierte, und verfolgt die Überlieferungslinien
dieses Lebenslaufs, denn die „Schleiferbärbel" fand Eingang in die Räuberliteratur des 19. und
20. Jahrhunderts.

Die übrigen hier berücksichtigten Frauen gehörten der bürgerlichen Oberschicht an und profilierten sich
als Künstlerinnen oder in der Wissenschaft. Claudia Pohl behandelt die Malerin Marie Ellenrieder (1791-
1863), die auf Fürsprache des Konstanzer Bistumsverwesers Ignaz Heinrich von Wessenberg 1813 als erste
Frau an einer deutschen Kunstakademie (München) zugelassen wurde. Wie die ebenfalls aus dem
Bodenseeraum stammende Angelika Kaufmann ein halbes Jahrhundert früher, machte sie sich einen
Namen als Portraitmalerin. Ihre Berufung sah die empfindsame und fromme Künstlerin in ihren religiösen
Werken. Die Autorin setzt sich mit der Frage auseinander, wie weit der Einfluss des Nazarenertums geht.
Da Marie Ellenrieder Tagebücher hinterlassen hat, gelingt auch ein intensives Bild der menschlichen
Entwicklung dieser sehr in sich gekehrten Frau, die mehrfach nach Rom gereist ist und drei badische
Großherzöge persönlich und als Auftraggeber kannte.

Die Karlsruher Literatin Anna Ettlinger (1841-1934), vorgestellt von Uri R. Kaufmann, setzte sich für
die Emanzipation der Frau ein, machte sich einen Namen durch Vorträge zur Kunst- und Literaturgeschichte
und zeichnete in ihren Schriften ein Bild von den Strömungen in der israelitischen Religionsgemeinschaft
Badens, in deren Verwaltung ihr Vater Verantwortung trug.

Auch die Musikerin und Dichterin Clara Faisst (1872-1948), deren Leben Martina Rebmann erforscht
hat, war Karlsruherin. Nur zum Studium an der Musikhochschule in Berlin hatte sie als junge Frau die
Vaterstadt verlassen. Sie komponierte Lieder für Singstimme und Klavier, Kammermusik und Stücke für
mehrere Singstimmen oder Chor, die zu ihren Lebzeiten Anerkennung und überregionale Verbreitung fanden
. Ihre Werk „Hörst du den Ton?" ließ sie 1924 im Selbstverlag in Freiburg erscheinen. Clara Faisst war
eine feste Größe in der kunstinteressierten Gesellschaft der Residenzstadt. Der Maler und Leiter der Kunsthalle
Hans Thoma war ihr väterlicher Freund; mit Albert Schweitzer, dem sie in den 1920er-Jahren ihre
Lieder vortragen durfte, verband sie eine lebenslange Freundschaft, an die viele Briefe in ihrem Nachlass
erinnern. Wirtschaftlich selbständig war Clara Faisst nicht; als ihre Mutter, Oberkirchenrats-Witwe, 1927
starb, bat ihr Schwager Pfarrer Ernst Lehmann bei der Kirchenbehörde um eine Beihilfe für sie. Sie erhielt
gütigerweise eine Pfarrwaisen-Unterstützung, die sie dankbar annahm, aber als demütigend empfand. 1907
hatte sie lebhaft Anteil genommen am Schicksal einer Zeitgenossin und Vorkämpferin für die Berufstätigkeit
der Frau: Die Fabrikinspektorin Dr. Marie Baum trat damals von ihrer Beamtenstelle wegen brüskierender
Ungleichbehandlung ihren männlichen Kollegen gegenüber zurück. Die Angelegenheit hatte großes
Aufsehen erregt, auch im europäischen Ausland, nach einem offnen Brief der Betroffenen in der „Frankfurter
Zeitung" und öffentlichen Äußerungen des Heidelberger Professors Max Weber. Marie Baum (1874-
1964) ist im vorliegenden Band ein eigener Beitrag gewidmet: Angela Borgstedt verfolgt den langen und
vielfältigen Lebensweg der Chemikerin, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin, die von 1893 bis 1899
in Zürich studiert hatte, zu einer Zeit als Frauen in Baden die Hochschulen noch verschlossen waren. Aus
der Züricher Zeit datiert Marie Baums intensive Freundschaft mit der Dichterin und promovierten
Historikerin Ricarda Huch. Über letztere ergibt sich ein Bezug zu Freiburg: Huchs Schwiegersohn
Professor Franz Böhm vermittelte Marie Baum in den 1940er-Jahren Kontakte zu Widerstandskreisen, u.a.
zu Walter Eucken.

Bezug zu Freiburg hat auch die von Hans-Eberhard Lessing kriterienreich aufgearbeitete Biografie des
Erfinders der Laufmaschine Karl Drais (1785-1851): Dessen Vater Hofrat Karl Wilhelm Friedrich Ludwig
Freiherr Drais von Sauerbronn hatte nach 1806 die Besitzergreifung des Breisgaus für das junge
Großherzogtum Baden geleitet, und zwar so umsichtig und einfühlsam, dass sich seine Töchter und sein
Bruder später in der ehemals vorderösterreichischen Stadt niederlassen und wohlfühlen konnten. Lessing
vermittelt mit technischem Detailwissen die Geschichte des Zweirads, würdigt Drais' entscheidenden Anteil
daran und beschreibt seine weiteren ebenfalls beachtlichen Erfindungen, vor allem seine Schnellschreibmaschine
, die laut Lessing am Anfang einer Digitalisierung der Schreibarbeit stand. Der Autor kennt
auch das menschliche Schicksal des Junggesellen Drais, der für revolutionäre Ideen aufgeschlossen war
und seinen Namen amtlich von Adelszutaten bereinigen ließ, der nach dem Tod des Vaters als finanziell

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