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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0197
Nach dem Niedergang der deutschen Dynastien 1918 war allerdings der Traum vom Staufermythos keineswegs
ausgeträumt. Wie Volkhard Huth in seinem Beitrag über Ernst Kantorowitz' Werk „Der Größte
Friedrich" schreibt, boten die mittelalterlichen Herrscher nach dem Ersten Weltkrieg Stoff genug, dass
sogar Stefan George und Friedrich Nietzsche sich mit diesem Thema befassten. Die gedemütigte Nation -
jedenfalls sahen es viele so - sollte erneut von den Stauferkaisern wachgerufen werden. Danach sehnten
sich nicht wenige Deutsche nach wie vor.

Ganz anders hingegen stellt sich die ebenfalls mythologische Figur von Holger Danske in Dänemark
dar. Wie Detlef Kraack schildert, schlummert auch er, ähnlich wie Barbarossa, in einem Schloss am Öre-
sund um sich in Zeiten der Gefahr für sein Volk zu verwenden. Holger Danske bleibt aber im Gegensatz
zu Friedrich I. volksnah und menschlich. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wird er
zum Symbol für den Widerstand gegen die Deutschen. Abermals wandelt sich sein Bild nach der Befreiung
: Heute, so der Autor, ist er allenfalls noch ein werbewirksamer Sympathieträger.

In einem weiteren Beitrag mit dem Titel „Wem gehören die Staufer?" untersucht Charlotte Bühl-
Gramer italienische und deutsche Schulbücher seit den Staatsgründungen beider Staaten in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während der Zeit des Risorgimento wurde in Italien vor allem der Widerstand
italienischer Kommunen mit dem Schwur von Pontida (der Gründung der lega lombarda 1167) und die
Schlacht von Legnano (vernichtende Niederlage Friedrichs I. 1176) hervorgehoben. Barbarossa als „bar-
baro" bezeichnet, dient als Vollstrecker eines patriotischen Martyriums, das mit der Zerstörung Mailands
seinen Höhepunkt erreichte. Eine integrative Kraft gewinnt dabei der Kampf der Kommunen, wenn auch
beklagt wird, dass die italienischen Städte oftmals in kaiserliche und antikaiserliche Lager gespalten
waren.

In der faschistischen Zeit behielt man im Großen und Ganzen diese Sichtweise bei, obwohl man auf die
Nationalsozialisten und deren Stauferdeutungen Rücksicht nehmen musste. Nach dem Krieg änderte sich
diese Beurteilung erst in den 1990er-Jahren wesentlich. Friedrich II. wird jetzt Barbarossa vorgezogen.
Seine modern anmutenden Ideen und seine Eurozentriertheit stehen jetzt im Mittelpunkt. Wenig verwunderlich
, dass dagegen die lega nord Pontida und Legnano zum Symbol des Regionalismus gegen Süditalien
zu missbrauchen sucht. Wenn man davon einmal absieht, so geht aus den Ausführungen der Autorin
hervor, haben die Italiener weniger den Mythos der Staufer bemüht als vielmehr das konkrete historische
Beispiel für ihr politisches Handeln zu nutzen versucht.

In den deutschen Schulbüchern nach 1871 hingegen finden sich zahlreiche Hinweise auf den nationalen
Mythos von der Vorherrschaft der Staufer im Mittelalter. Wenn auch der Freiheitswille der italienischen
Kommunen manchmal Erwähnung findet, so stellt man vor allem Friedrich Barbarossas Herrschaftsanspruch
in den Vordergrund. Sein vordringliches Interesse für Italien wird dagegen negativ gesehen. Die
Frage steht oft im Raum, ob er sich nicht nördlich der Alpen stärker hätte engagieren sollen. Gleiches trifft
auf Friedrich II. zu, obwohl auch oft erwähnt wird, dass er über große wissenschaftliche Fähigkeiten verfügte
.

Das Bild von der Vorherrschaft der Deutschen im Mittelalter, so Charlotte Bühl-Gramer, bestand auch
nach 1918 weiter. Allerdings wurden in der Weimarer Republik eher die tragischen Momente der Staufergeschichte
- als Symbol für die als misslich gehaltene momentane Lage Deutschlands - in den
Vordergrund gerückt.

In der NS-Zeit instrumentalisierten die Machthaber den Staufermythos ganz dezidiert für ihre Ideologie
und ihre Ziele. Ganz gleich, ob es sich um Rassetheorien, Machterweiterung oder Durchhalteparolen handelte
, stets wurde die Geschichte der Staufer so zurechtgebogen, dass sie als Bestätigung für die jeweilige
politische und militärische Situation passte.

Nach 1945 kamen langsam Überlegungen zur Geltung, den Mythos Staufer kritisch zu hinterfragen.
Expansionsgelüste - etwa von Heinrich VI. - wurden ins Reich des Unwirklichen verwiesen. Friedrich II.
erscheint jetzt als aufgeklärter, toleranter Fürst, der in Palermo Hofhielt, wo ein multikulturelles Klima
geherrscht haben soll. Die Autorin hegt nicht zu Unrecht den Verdacht, dass hier ein neuer Mythos im
Entstehen ist.

Andere Beiträge des Sammelbandes beschäftigen sich z.B. mit Friedrich II. als „Ketzerkaiser", wie er
in der damaligen päpstlichen Propaganda bezeichnet wurde (Matthias Heiduk), oder mit der Staufer-
grablege in Lorch. Das Interesse daran bestand, so Ulrich Knapp, bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts
und fand seine Fortsetzung nach 1871. Den Hintergrund bildete dabei die Suche nach Zeugnissen aus dem
„Heldenzeitalter der teutschen Nation". In die gleiche Richtung gehen die Forschungen von Sabina Fulloni

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