Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0199
Glossar, eine Zeittafel, die zugleich als Register dient, und ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis
schließen das Werk ab. Man kann es dem Autor und den Historikern im Ausland nur wünschen
, dass auch dieses Buch bald in einer Übersetzung vorliegt. Hans-Peter Widmann

Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, II. Band: Das Kabinett Bock 1947-1948,
bearb. von Frank Raberg, hg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg
, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2008, 494 S.

Am späten Abend des 3. August 1948 erschien Lorenz Bock, Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern
, im Sitzungssaal der CDU-Fraktion in Bebenhausen und berichtete über den Misserfolg seiner
Verhandlungen mit Gouverneur Guillaume Widmer und dessen Berater Colonel de Mangoux wegen
Einstellung der Demontagen. „Bleich, hohlwangig, in tiefster Sorge ob der Existenzbedrohung unserer
Wirtschaft". Ohne die weitere Diskussion abzuwarten fuhr er nach Rottweil, seinem Wohnort, wo er kurz
nach Mitternacht verstarb. Noch während die Vorbereitungen für das Staatsbegräbnis getroffen wurden,
bei dem Teilnehmer aus ganz Westdeutschland dem Toten ihre Verehrung und Achtung erwiesen, trat die
Landesregierung am 6. August 1948 aus Protest gegen die Demontagen zurück. So beschreibt Gebhard
Müller die dramatischen Vorgänge vom Sommer 1948. Auch die Regierung Wohleb im ebenfalls zur französischen
Zone gehörigen (Süd)Baden trat wegen der erneuten Ankündigung von Demontagen zurück,
„weniger rasch und spontan als in Tübingen", wie Paul Feuchte formuliert, „aber der Widerhall des wirksam
inszenierten Auftritts war nicht geringer als dort".

Die politische Lage hätte beim Tod von Lorenz Bock nicht komplizierter und krisenhafter sein können,
resümiert Frank Raberg in der Einleitung zum zweiten Band der Kabinettsprotokolle von Württemberg-
Hohenzollern, einer Quellenpublikation zur Landesgeschichte, die er bearbeitet hat. Gleich am Todestag,
dem 4. August, trat das Kabinett zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, geleitetet von Carlo
Schmid (SPD), damals Justizminister und stellvertretender Staatspräsident, der vom Oktober 1945 bis
Sommer 1947 Chef der provisorischen Regierung von Württemberg-Hohenzollern gewesen war. Bocks
Nachfolger wurde Gebhard Müller, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, die im Landtag die absolute
Mehrheit hatte. Müller hatte unter Lorenz Bock kein Ministeramt, nahm aber als FraktionsVorsitzender an
allen wichtigen Sitzungen teil: in den Anwesenheitslisten geführt als „Ministerialdirektor Müller", nicht
zu verwechseln mit Ministerialrat Müller, dem Leiter der Staatskanzlei.

Das Themenspektrum, das der Band abdeckt, lässt sich hier nur grob umreißen. Die Regierung, die dem
öffentlichen Leben im Nachkriegsalltag Struktur verleihen sollte, musste sich selbst einen Organisationsrahmen
schaffen, auch räumlich, denn Tübingen, die Hauptstadt des von den Siegermächten willkürlich
gebildeten Landes, hatte keine Tradition als Verwaltungsmetropole. Die schier unlösbare Aufgabe lautete:
Not lindern an allen Ecken und Enden. Es herrschte Lebensmittelknappheit, verschärft durch umfängliche
Entnahmen durch die Besatzungsmacht; Demontage von Produktionsmitteln lähmte Gewerbe und die - in
diesem Landesteil nur spärlich vorhandene - Industrie; Holz wurde massenhaft eingeschlagen und nach
Frankreich ausgeführt. Ein vordringliches Anliegen des Staatspräsidenten und seiner Minister war die
Wiedervereinigung mit dem amerikanisch besetzten Teil Württembergs. Bald auch, nach der Bekanntgabe
der Frankfurter Dokumente im Sommer 1948, die Frage der Länderneugliederung, die Diskussion um den
Südweststaat. Raberg betont in der Einleitung, Bock werde zu Unrecht als Verfechter der Dreistaatlichkeit
im deutschen Südwesten bezeichnet, er habe sich dem Modell Südweststaat nicht widersetzt.

Die Quellen zeigen deutlich und unmittelbar, wie abhängig die Regierung von der Besatzungsmacht
war. Vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen behielt sich diese alle Entscheidungen vor. Die
Tagesordnungen der Kabinetts Sitzungen mussten zur Genehmigung vorgelegt werden, das galt auch für
den Landtag, dem die Diskussion brisanter Themen und jede Kritik an der Besatzungsmacht verboten war.
Gouverneur Widmer sorgte sogar dafür, dass die Abgeordneten ihre Fragen im Voraus zur Genehmigung
vorlegten. Bock begegnete dem über 20 Jahre jüngeren Widmer mit Nachgiebigkeit in der Hoffnung,
Vertrauen zu schaffen und Entgegenkommen zu erreichen, was aber nicht eintrat und ihm persönlich Kritik
einbrachte, zum Beispiel von Gebhard Müller und dessen Landtagskollegen Oskar Kalbfell (SPD) und
Eduard Leuze (DVP). In der Kabinettsitzung vom 30. April 1948 sprach Innenminister Viktor Renner
(SPD) offen aus, dass der Staatspräsident seinen Umgang mit der Militärregierung ändern müsse. Er dürfe
sich in Dingen, die eigentlich die Ressortminister beträfen, nicht mehr auf Verhandlungen einlassen. Er
solle sein Recht auf einen eigenen Dolmetscher einfordern, sich nicht durch Androhungen von

199


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0199