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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 175
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2012/0177
Das spannende Jahr 1982:
Kanzlersturz in Bonn und Oberbürgermeisterwahl in Freiburg

Von

Hans-Georg Merz

Bonn, 1. Oktober 1982: Im Zuge der ersten erfolgreichen Praktizierung des sogenannten „konstruktiven
Misstrauensvotums" nach Art. 67 GG in der Geschichte der Bundesrepublik wurde
der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt gestürzt und der CDU-Vorsitzende
Helmut Kohl zu seinem Nachfolger gewählt. Bereits im Frühjahr 1982 wollte Schmidt offensichtlich
Mitglieder seines Kabinetts auf „die Zeit danach" einstimmen - mit einem Witz:
Selbst Ruheständler auf Sylt habe er einen ebenfalls beschäftigungslosen Staatsminister getroffen
: „Als dieser ihm berichtete, er schreibe jeden Tag, um sich die viele Freizeit zu vertreiben,
zwei bis drei Seiten aus dem Telephonbuch ab, bittet ihn Schmidt: ,Ach, könntest du mir die
nicht abends zur Unterschrift vorlegen?'441

Ganz so schlimm kam es freilich nicht, weder für frühere Kabinettsangehörige noch für den
Ex-Kanzler selbst. In der nüchternen Sprache des Staatsrechts und der Politikwissenschaft: Bei
einigen Politikern folgte nämlich auf die „Reprobation" aus dem bisherigen Amt vergleichsweise
rasch die „Approbation" für eine andere Position wenngleich auf einer bisweilen anderen
politischen Ebene.2 Ein solcher Vorgang spielte sich u.a. in Freiburg ab, unter tätiger Einfluss-
nahme des langjährigen Bonner Regierungschefs. Es war nicht zuletzt dieser historische Kontext
, der „für die spannendste Wahl in Freiburg aller Zeiten" verantwortlich war.3 Diese in der
Tat außergewöhnliche „Spannung" resultierte zum einen aus der Vorgabe der baden-württembergischen
Gemeindeordnung, die einen gleichsam „agonalen" Wettbewerb um das politische
Spitzenamt in den Rathäusern institutionalisierte. Erreicht - bei der Volkswahl - zunächst kein
Bewerber die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen, fällt die Entscheidung in einem zweiten
Wahlgang. Gewählt ist dann der Kandidat, für den die „einfache Mehrheit" der Wähler
votierte.4 Zum anderen fand in der spezifischen politischen Situation des Herbstes 1982 das
Aufgebot prominenter Wahlunterstützer, die sich in Freiburg engagierten, eine beträchtliche,

Allen politischen „Akteuren" sowie journalistischen und wissenschaftlichen „Zeitzeugen", die mir zu den
Abläufen und den Hintergründen der OB-Wahl zahlreiche Informationen vermittelten, danke ich für ihre freundliche
Unterstützung sehr herzlich.

1 Der Spiegel, Nr. 4/1983, S. 37.

2 Zu den - hier in einer partiell variierenden Bedeutung gebrauchten - Begriffen der „Approbation" und „Reprobation
" bei politischen Wahlprozessen grundlegend Ernst Fraenkel: Strukturanalyse der modernen Demokratie
(1970), in: Ders.: Reformismus und Pluralismus. Materialien zu einer ungeschriebenen politischen Autobiographie
, hg. von Falk Esche und Frank Grube, Hamburg 1973, S. 408.

3 Joachim Röderer: Am Ende ging es um 577 Stimmen. Freiburgs spannendste OB-Wahl: Wie sich im Oktober
1982 Rolf Böhme (SPD) gegen Sven von Ungern-Sternberg (CDU) durchsetzte, in: Badische Zeitung (BZ) vom
10.4.2010, S. 22.

4 Richard Kunze: Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg. Ein Abriß, in: Kommunalpolitik in Baden-
Württemberg, hg. von Theodor Pfizer und Hans-Georg Wehling, Stuttgart u.a. 1991, S. 70f. Zu der Stellung
und den Befugnissen des (Ober-)Bürgermeisters gemäß der Süddeutschen Ratsverfassung grundlegend Hans-
Georg Wehling: Gemeinden und Kommunalpolitik, in: Baden-Württemberg. Eine politische Landeskunde, hg. von

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