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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
131.2012
Seite: 210
(PDF, 43 MB)
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durch nichts zu bremsende politische Urgewalt des 19. Jahrhunderts", auf den Auftritt des baden-württembergischen
Ministerpräsidenten Erwin Teufel mit Heckerhut reagiert hätte: Die Konfrontation wäre nicht
ausgeblieben. Renate Liessem-Breinlinger

Die Pforte, hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Landeskunde in Kenzingen e.V.,
Redaktion: Roland G. Foerster, Helmut Reiner und Klaus Weber, 30. und 31. Jahrgang, Nr. 58-61
(2010/2011), 327 S., S/W-Abb.

Eine schlichte Bettelordenskirche steht im Mittelpunkt eines großen Reigens von Aufsätzen zum
Rahmenthema „Religion, Kirche und Ökumene in Kenzingen". Die Rede ist von der ehemaligen Franziskanerkirche
. Sie stammt aus der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg, als die Franziskaner oder Barfüßer
nach Plänen eines Ordensangehörigen Architekten ein räumlich großzügiges Männerkloster bauten. Zum
Bau der Kirche wurden Steine der ehemaligen Pfarrkirche St. Nikolaus des seit dem 14. Jahrhundert aufgelassenen
Dorfes Nidingen verwendet. Bertram Jenisch, der sich mit den Spuren des abgegangenen
Dorfes aus der Sicht des Archäologen befasst, hält es für wahrscheinlich, dass nicht nur Baumaterial, sondern
auch ein Gemälde aus dieser Niklauskapelle in die neue Franziskanerkirche gelangte: der Bischof mit
drei goldenen Kugeln in der Bekrönung eines Seitenaltars.

Gebhard Heil und Klaus Weber bieten einen kompakten Überblick über die Geschichte der Franziskaner
in Kenzingen, die schon 1327 mit einer kleinen Niederlassung einsetzte, mit dem Bau der Klosteranlage ab
1654 an Bedeutung gewann und 1803 der Säkularisation zum Opfer fiel. Der erste Zugriff des badischen
Staates 1807 galt der Bibliothek; die Auflösung des Klosters zog sich hin, bis 1831 der letzte Pater hochbetagt
gestorben war. Dann konnte die Stadt die Anlage von der staatlichen Domänenverwaltung erwerben.
Die Autoren beziehen die Zeit von der Säkularisation bis in die Gegenwart mit ein, verfolgen die
Nutzungsgeschichte vom Armen- und Krankenspital zum Altenpflegeheim und informieren über die sozialen
Verhältnisse. Unter dem Titel „Das Wirken der Franziskaner in Kenzingen" weist Tanja Rednitzer auf
die Bedeutung der Franziskaner in der Seelsorge hin, beleuchtet deren nicht üppigen wirtschaftlichen
Verhältnisse und die Ordenshierarchie. Das Kenzinger Kloster gehörte zur Tiroler Franziskanerprovinz mit
insgesamt 17 Niederlassungen, unter denen reger Personalaustausch stattfand. Enge Beziehungen bestanden
mit Freiburg und der von Kenzingen aus gegründeten Niederlassung in Seelbach.

Die Klosterkirche wurde nach dem Aussterben des Konvents profaniert, diente als Scheune, bis sie 1879
der evangelischen Kirchengemeinde überlassen wurde. Durch eine Baumaßnahme von 1892 wurde ein Teil
der Kirche rekatholisiert: Der rechteckige Chor wurde durch eine Mauer vom ebenfalls rechteckigen
Kirchenschiff abgetrennt und als Spitalkapelle genutzt. Die Ökumene von heute kommt ohne Mauern aus,
wie die Beiträge der Pfarrer Frank Martin und Hanns-Heinrich Schneider belegen. Norbert Ohler spricht
über die geistlichen Wurzeln der christlichen Kirchen und ihrer Kultur in seinem Beitrag „Umsichtige
Erinnerungspflege", wie er sie bei einem Rundgang durch Kenzingen wahrgenommen hat. Auch er machte
an der Franziskanerkirche Station und lobt die Kontinuität in der Weiternutzung der Klosteranlage. Ins
Grübeln brachte ihn die Verwendung der Räumlichkeiten der Johanniter als Justizvollzugsanstalt.

Kirsten Kreher und Monika Rudolph dokumentieren die Geschichte der evangelischen Gemeinde, die
bei der Gründung 120 Mitglieder zählte, 1891 bei der feierlichen Einweihung ihrer Kirche Besuch vom
Großherzog bekam und bald danach einen eigenen Pfarrer erhielt. Breiten Raum nimmt die jüngere und
jüngste Zeit ein, gut gegliedert und ansprechend bebildert. Bis heute sind die Protestanten im ehemals vor-
derösterreichischen Kenzingen in der Minderheit. Wie sich ihr Anteil im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts
kontinuierlich erhöht hat durch die Industrialisierung, vor allem aber durch den Zuzug von Flüchtlingen
und Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, zeigt Volker Pixberg in seiner Erhebung über die
konfessionelle Zugehörigkeit der Kenzinger Bürger von 1825 bis heute. Die Zeitabfolge und die Umstände
des Zuzugs der Vertriebenen, vor allem deren Versorgung mit Wohnraum untersuchte Hans-Werner
Retterath. Die Siedlung im Gewann Balger entstand in diesem Zusammenhang.

Mehrere Autoren erinnern daran, dass Kenzingen in der Reformationsgeschichte kurzzeitig eine beachtliche
Rolle spielte: Hier wirkte von 1522 bis 1524 der aus Lauterburg stammende Theologe Jacob Otter,
ein Zögling des Straßburger Predigers Geiler von Kaysersberg und juristisch gebildet als Schüler von
Ulrich Zasius in Freiburg. Als Otter auf Druck des Erzherzogs Ferdinand von Habsburg Kenzingen verlassen
musste, gaben ihm seine Pfarrkinder das Geleit ins hachbergische, damit evangelische Malterdingen.
150 Kenzinger Bürger suchten mit ihm Asyl in Straßburg, das ihnen die Pfarrersfrau Katharina Zell

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