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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2013/0069
Für die Menschen des Mittelalters war es selbstverständlich, dass die Gerechtigkeit ihren
letzten Grund in Gott hatte. Die Gerechtigkeit und mit ihr das Recht waren Ausdruck der göttlichen
Weisheit und des göttlichen Willens, denn das Wesen Gottes ist Gerechtigkeit. So heißt
es in der „Reformatio Sigismundi" von 1439: got [...] ist der gerechtigkeyt herre und meyster.
Die Salzburger Bauern drückten dieselbe Überzeugung 1525 so aus: wir gelauben, das in Got
ist alle Mächtigkhait, Weishait und Guettat, und aus seiner Mechtigkhait vermag er alle Ding,
aus seiner Weishait waiß er alle Ding, in seiner Giet seindt alle gute Ding, Warhait, Gerech-
tigkhait und alles das guet ist, und in seiner Guet mag khain Pößhait noch Ungerechtigkait
sein noch stathaben. Und dieweil Got allain ist alle Gerechtigkhait, so sollen wir als seine
Geschöph und Gelider pillich dem Haupt nachvolgen.U5 Weil es selbstverständlich war, dass
Recht und Gerechtigkeit ihrem Ursprung und ihrer Natur nach eine „gottgewollte, göttliche
Norm" waren, hätte Joß Fritz auf das Attribut „göttlich" auch verzichten können, wenn er von
der „Gerechtigkeit" sprach. Und deshalb sollten wir nicht gleich einen Gegensatz zur „göttlichen
Gerechtigkeit" vermuten, wenn andere Verschwörer nur vom „Recht" oder von der „Gerechtigkeit
" sprachen.116

Um dem näherzukommen, was Joß Fritz unter der „göttlichen Gerechtigkeit" verstand, stelle
ich deshalb die Frage: Wie erschließt sich für Joß Fritz die „göttliche Gerechtigkeit"; wo
liegt der Maßstab für das, was „vor Gott" Recht und Unrecht ist?

Die von Joß Fritz umworbenen Personen fragten nach eigener Aussage immer wieder, ob
der Bundschuh eine gerechte, gute und ehrliche Sache sei. Die Antwort des Joß Fritz war stets
die gleiche: das furnemen [sei] götlich, zimlich und recht}11 Gegenüber Jakob Huser fügte er
noch erklärend hinzu: dann si anders nutzit handien wölten dann das, so die heilig geschrifi
inhielt und ouchfur sich selbs göttlich, billich und recht wer.us

Der göttliche Wille als Maßstab für Recht und Gerechtigkeit offenbart sich dem Menschen,
so Joß Fritz nach der eben zitierten Aussage, auf doppelte Weise: zum einen in der Heiligen
Schrift,119 zum anderen in der natürlichen Vernunft des Menschen. „Recht und Gerechtigkeit"
sind schriftgemäß und „billig" (oder „ziemlich"). Sie halten dem Glauben und der Vernunft
stand. Oder in der Sprache des Joß Fritz (bzw. in der des Jakob Huser, der in seinem „Bekenntnis
" Joß Fritz zitiert): Das „Recht" deckt sich mit dem, was die heilig geschrifi inhielt
und was für sich selbs göttlich, billich und recht ist.

Diese Sicht vom Wesen des Rechts war Gemeingut spätmittelalterlichen Denkens. Kaiser
Friedrich III. forderte von Straßburg Hilfe, als ir unns [...] von gotlichen und naturlichen rech-

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ten des zu tund schuldig seyend. Die Ochsenhausener Untertanen sprachen 1502 von den
göttlichen natürlichen gaistlichen vnnd kaiserlichen rechnen}11 Die Stühlinger Bauern baten

Reformation Kaiser Siegmunds (wie Anm. 110), S. 330; Franz (wie Anm. 7), Nr. 94, S. 295.
116 Rosenkranz, Bd. 2 (wie Anm. 1), S. 145 (Nr. 21): Etliche Gefangene sollen den Spruch auf dem Bundschuh
-Fähnlein von 1513 so wiedergegeben haben: Barmherziger Gott, hilf den armen zu rächt! („Freiburger
Aufzeichnung"). Ebd., S. 206 (Nr. 81): das der buntschu ein gut ding si, wie si der gerechtikeit weiten
biston (Conrad Brun). Ebd., S. 225 (Nr. 107): Hans Schwarz, Pfarrer zu Lehen, soll gesagt haben, der
Bundschuh sei ein gotlich ding [...], dann die gerechtigkeit wurd ein furgang gewinnen.

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Ebd., S. 190f. (göttlich, zimlich und billich) und 193 (Nr. 69). - Auch in den Verschwörungen von 1493
und 1502 hieß es, der Bundschuh sei göttlich und erlich, eine gottlich sache, zimlich, göttlich und gut.
Ebd., S. 11 (Nr. 9: Hans Ulmann) und 111 (Nr. 21: Kaiserliches Mandat 1502).

118 Ebd., S. 190 (Nr. 69).

119 So haben sich Joß Fritz und Hieronymus auf der Hartmatte erboten, die Vorhaben des Bundschuhs us der
heiligen geschrifi schriftlich ze verfassen und schriben. Ebd., S. 191 (Nr. 69).

120 Alfred Schröcker: Die deutsche Nation. Beobachtungen zur politischen Propaganda des ausgehenden
15. Jahrhunderts (Historische Studien 426), Lübeck 1974, S. 48 Anm. 115.

121 Ich zitiere nach der Handschrift im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 481 Bü 10 Bl 46 (Artikel 2).

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